Dienstag, 31. Januar 2012

Die Wärmflasche auf der Heizung

Heute nachmittags im Augustinum gleich im Blickfeld: vom Mittagessen dreckige Servietten auf dem Esstisch verstreut. Ich pack mitgebrachte Lebensmittel weg, räum auf, bring den Müll raus. Ich such die Wärmflasche, finde sie endlich im Bad, leer, auf der Heizung, welche unter dem Waschtisch ist. Sehr warm. Davon wird der Gummi porös, aber das wissen die im Augustinum nicht.
Seit Tagen versuch ich herauszufinden, wann mein Verwandter zuletzt beim Urologen war und wann beim Zahnarzt. Die Zähne klappern...
Der dafür zuständige Chef vom Pflegedienst ist verreist. Also schreib ich die Ärztin im Haus an, lass mir eine Fotokopie machen. Auch die Ärztin ist zur Zeit kaum im Haus.
Ich mach Abendbrot, wasch ab und nehm die Dreckwäsche zum Waschen mit nach Hause.
Ich bin froh, dass ich nach Stunden gehen kann. Ich würd dort nicht einziehen.
Auf dem Rückweg kauf ich noch die Lebensmittel ein, die ich meinem Verwandten morgen mitbringen will.
Und jetzt wasch ich noch seine Wäsche. Ich bin müde.

Montag, 30. Januar 2012

Kein Kaffee

Da ich heute verhindert bin, hab ich gestern einen Zettel mit der Bitte heute nachmittags Kaffee zu kochen und meinem Verwandten Abendbrot zu machen am Empfang hinterlassen.
Als ich um 16 Uhr 30 anrufe, hat mein Verwandter noch keinen Kaffee bekommen.
Ich ruf nochmal beim Empfang an und der Herr will die Pflege erinnern.
Na, hoffentlich klappt das heute mit dem Abendbrot, nicht dass mein Verwandter wieder hungrig ins Bett muss.

Die Wärmflasche

Mein Verwandter hat ständig kalte Füsse wegen schlechter Durchblutung und trägt dicke Socken und möchte nachts eine Wärmflasche am Fussende im Bett.
Dies sollte leicht sein. Nicht so im Augustinum.
Ich bin abends ständig auf der Suche nach der Wärmflasche.
Mal liegt sie, eingewickelt in ein Handtuch, noch im Bett. Mal auf dem Fernsehsessel, mal auf dem Wohnzimmertisch, mal auf dem Küchentisch, mal im Wäschekorb im Bad, mal in der Küchenspüle, mal im Waschbecken, mal auf dem Duschstuhl, einmal auf dem kleinen Cerankochfeld... mit oder ohne Handtuch. Das Handtuch such ich dann extra...
Aber gestern, das war gemein. Ich hab überall gesucht. Das Handtuch war im Bett, die Wärmflasche dann auf dem Duschstuhl. Aber wo, zum Geier, hatte das Personal den Stöpsel versteckt? Langes Suchen, dann fand sich der Stöpsel hinter dem After Shave und vor der Kukidentdose. Die Sucherei nervt total.
Wenn ich mal nicht abends da bin, dann klappt das mit der Wärmflasche so wenig, wie mit vielen anderen Dingen.
Also, die junge Frau von hinter dem Ural übt noch. Bei ihr zu Hause gibt es keine Wärmflaschen, nur heisse Steine. Unklar ist immer noch, ob die Dame aus der vorderen oder hinteren Mongolei kommt, sagt mein Verwandter.

Sonntag, 29. Januar 2012

Die Kaffeemaschine

Seit Tagen lief sie nicht richtig, die Kaffeemaschine. Ich kam bepackt, wie immer, nachmittags ins Augustinum. Wie immer lag sozusagen dort im Apartment "der Kamm auf der Butter". Das macht niemand weg, denn in der Miete von ca. 2700 Euro monatlich ist wöchentliches Staubsaugen enthalten und gelegentliches Fensterputzen, aber beileibe nicht staubwischen oder mal aufräumen. Zusätzlich ist das tägliche Mittagessen in der Miete enthalten, aber wer das Essen ins Apartment gebracht haben möchte, der zahlt für diesen Service ca. 70 Euro im Monat. Alles kostet extra, nur das Staubsaugen und der Mittagstisch nicht.
So entschloss ich mich heut die Kaffeemaschine zu entkalken. Das dauert und so gingen wir unterdessen ins Cafe-Restaurant und ich war sehr erstaunt, sie hatten 8 verschiedene Sorten Torte, für jeden Geschmack was dabei. Die Erdbeertorte schmeckte uns prima und an einem Nebentisch spielten Kinder, das gefiel meinem Verwandten sehr.
Abendbrot machen, Abwasch etc. und dann bei Schnee langsam mit dem Wagen nach Haus zurück, das waren wieder gut 4 1/2 Stunden Zeitaufwand heute.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Heute ist ein besonderer Tag

Nach der Arbeit haste ich mit Lebensmitteln ins Augustinum.
2 Alpenveilchen stehen für mich auf dem Tisch.
Besorgt von der Dame, die das Lädchen im Augustinum hat. Sie schafft für die Bewohner fast alles heran, was sie benötigen.
Aber der Miniladen hat wegen dem Service und dem kleinen Umsatz sehr hohe Preise.
Mein Verwandter gratuliert mir zum Geburtstag. Schenkt mir die Blumen.
Wir gehen ins Cafe-Restaurant. Es gibt Kaffee und Himbeertorte. Lecker!
Zurück im Apartment mach ich Abendbrot und wasch ab.
Um 20 Uhr 30 komm ich nach Hause, tanken war ich auch.
Das war mein 60. Geburtstag.
Ich freu mich an den Blumen.

Dienstag, 24. Januar 2012

Ich hab es geahnt

Heute erst mit der Bank meines Verwandten telefoniert, dann ins Augustinum.
Und wirklich, es ist wie immer, wenn ich das Apartment betrete.
Geschirr auf dem Tisch, ein Brief auf dem Fussboden, der Teppich wirft Falten, eine Stolperfalle für den Blinden.
Kurze Frage: Wer hat Dir heute beim Mittagessen geholfen?
Antwort: Junge Dame, freiwilliges soziales Jahr. Nun, die kostet auf der Rechnung genau so viel, wie eine altgediente Kraft.
Ich räum weg, geh auf die Knie, zieh den Teppich gerade, heb den Brief auf.
Bin schon älter, etwas schwerfällig geworden.
So, denk ich, jetzt putzte hier noch gratis hinter nem jungschen Ding her.
Wir trinken Kaffee, ich mach Abendbrot, wasch ab, trag den Müll raus, verabreiche Medikamente.

Also: Erfinderin des Freiwilligen Sozialen Jahres ist die Mitgründerin des Augustinums Gertrud Rückert und sie nannten das Philadelphischer Ring.
Und jetzt, wo sie keine Zivis mehr haben, die wurden ja abgeschafft, nehmen sie die Jugend für solch Dienste. Meist gibt es dafür 200 Euro und etwas im Monat. Für so wenig Geld hab ich dann auch Null Bock auf Aufräumen.
Tja, davon kommt kein Arbeitsloser in Lohn und Brot. 1 Eurojobs, Ehrenamtliche, ausgebeutete Jugendliche, so wurde Deutschland ein Billiglohnland. Lohndrückerei.
Ich denk an den CDU Ball mit den fein gekleideten Leuten am Wochenende hier.
Beim Abwasch summ ich unbewusst "Völker hört die Signale", stutze. Wär der Herr Gauck nicht besser gewesen als der Herr Wulff? Mindestlohn her anstelle Freiwilligem Sozialem Jahr und bedingungsloses Grundeinkommen!
1900 waren die Arbeiter auf Rittergütern sehr gegen ihre adeligen Herrn, lebten von geringem Lohn und Deputat für Schwerstarbeit, wurden Kommunisten und Sozialisten.
Der Kreis schliesst sich. Ob diese Frau Rückert in den Himmel kommt?
Vielleicht, aber in der Hölle sind mehr Leute.

Der erste Schnee

Ich mach ganz viele Kopien von Rentenangelegenheiten meines Angehörigen. Es schneit. Um 16 Uhr, nach der Arbeit setz ich mich in den Wagen und fahr vorsichtig zur Post um am Automaten Geld für meinen Angehörigen zu besorgen. Der Automat hat leider kein Geld parat. Also, Herztabletten besorgt. Aufschnitt, Joghurt, Shampoo und Duschgel. Um 17 Uhr koch ich im Augustinum Kaffee. Etwas Kuchen. Pause.
Dann meinen gelangweilten Verwandten in den Rollstuhl gesetzt, eine lange Runde durch die langen Gänge gedreht, am Empfang guten Tag gesagt, dort sind die Mitarbeiter sehr nett. Im Theater läuft der Film Ladykillers für drei Euro Eintritt. Nein Danke! Ich hab den Film schon zig mal gesehen. Mein Angehöriger mag auch nicht.
Im Apartment mach ich Abendbrot, wasch ab, trag den Müll raus, kümmere mich um die Wäsche, diesmal haben sie ihm ne Duschmatte als Handtuch hingehängt. Draussen knallt es mehrfach sehr lange und extrem laut. Wie zu Sylvester. Ich reiss das Fenster auf, brülle: Ist jetzt gut!!!
Ich schreib einen Brief an die Rente, geh zum Empfang, der nette Herr macht mir ne Kopie. Ich tüte die Fotokopien ein, der Empfang verkauft mir eine Briefmarke für den Grossbrief.
Eine Kraft kommt um meinen Angehörigen in den Schlafanzug zu stecken.
Ich schau auf die Uhr: Schon nach 20 Uhr. Ab nach Hause, die Dreckwäsche im Gepäck.
Gott bin ich müde. Und denk an dies Lied hier:



Edith Schollwer - Wanderlied einer Hausfrau 1958

Sonntag, 22. Januar 2012

Im Cafe-Restaurant

Des öfteren gehen wir ins Cafe-Restaurant. Dort gefällt es uns gut.
Meist gibt es Kuchen zum Aussuchen. Ein Milchkaffee , ein Kaffee und ein Stück Kuchen kosten uns 6 Euro 50.
Die Serviererinnen sind sehr nett und aufmerksam und es ist egal, ob mit Rollstuhl oder Rollator, sie finden immer ein paar nette Worte für meinen Verwandten. Dort ist es modern, warm, fast gemütlich.
Auch abends haben wir dort schon gegessen. Mein Verwandter hat sich sehr über Bratkartoffeln gefreut.
Die Speisekarte wechselt, ist aber recht klein.
Leider hat das Cafe-Restaurant montags und dienstags geschlossen.

Über Rolläden

Rolläden sollten morgens hochgezogen werden und abends runter.
Nicht so im Augustinum.
Als ich heute um 16 Uhr ankomme, da sitzt mein Verwandter noch im Dunkeln - und das des öfteren.
Sicher denkt das Personal, er ist ja blind... Ob die Blumen eingehen, das stört sie nicht.
Es hat auch niemand gelüftet, sagt mein Angehöriger.
Ihm tut der Po weh, sagt er. Ich frage nach, ob er sich entzündet hat, weil in den letzten Tagen hat man ihm Waschlappen oder Handtuch weggenommen, aber keine neuen hingehängt. Er meint nein.
Endlich kann ich den Brief für ihn schreiben, gestern war die Musik der CDU Party zu laut.
Bis früh um 4 Uhr soll die CDU gefeiert haben.
Sie kennen nichts, die Politiker. Ruhezeiten, Nachtruhe? Es ist das Heim alter Menschen.
Wir gehen durch das Haus, halten an der Empore des Andachtsraumes an. Dort ist ein altes, kleines elektrisches Harmonium.
Ich such im Kirchengesangbuch, finde Martin Luther. Spiele. "Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen" dröhnt es durch den Raum.
Ich bin Protestant. Ich protestiere.

CDU Ball im Augustinum

Heute ist CDU Ball im Augustinum Kleinmachnow. Da kenn die CDU kein Pardon. Jeder Heiminsasse muss zurückstehen...
Eine C-Dur Künstlergruppe probt schon nachmittags. Märkische Heide, das Kampflied der kleinmachnower CDU. Mit Tenorsaxophon, sagt mein Verwandter, geht es weiter. Die Sängerin klingt etwas wie Manuela, bisschen dürftig, sag ich.
Es wird laut in Foyer und Restaurant.
Ob die CDU das wohl von den 50 000 Euro bezahlt, die Michael Braun, der ungeeignete berliner Justizsenator für 11 Tage im Amt erhielt, oder von Mitgliedsbeiträgen, kann mir egal sein.
Wer von mir keine Stimme mehr bekommt, kriegt dafür auch keinen Parteikostenzuschuss zur Wahl.
Die Damen und Herren trugen sehr feine dunkle Kleidung als ich ging...

Freitag, 20. Januar 2012

Abendbrot

Heute 15 Uhr 30 ab ins Augustinum.
Gestern, das Abendbrot ohne mich hat leider nicht geklappt.
Eine nette Dame kam meinem Angehörigen ein Brot schmieren.
Da sie ihm leider das Brot mit Kochschinken nicht in Stücke geschnitten hat, war alles umsonst.
Das Brot, was man mit 90 Jahren und falschen Zähnen nicht durchbeissen kann, blieb liegen.
Pflegekräfte können sowas doch in der Regel?

Wir nahmen dann den Rollator, zum ersten Mal seit langem. Das Pflegepersonal nimmt nur den Rollstuhl. Ohne Rollator ging es nicht, denn an der Haltestange - "Ballettstange" - stand der grosse Wagen der Reinigungsfirma. An solch einem Hindernis kommt man als Blinder nicht dran vorbei.
Mein Angehöriger holte sich am Kontoauszugdrucker seinen Kontoauszug, ja, den hat das Augustinum, aber Geld bekommt man an dieser Maschine keins. Und ging zum Empfang, hielt ein Schwätzchen mit der sehr netten Empfangschefin. Sie kennen sich nun schon lange Jahre.

Dann zurück am Wagen der Reinigungsfirma vorbei zur Wohnung. Ich hab aufgeräumt, Abendbrot gemacht, mich um die Post gekümmert und die Wäsche mitgenommen. Denn in letzter Zeit klappt das leider auch nicht zwischen Wäscheservice und dem Pflegedienst.
Es war 20 Uhr 30, als ich nach Hause kam. Müde, wie häufig. Bis morgen hab ich gesagt,als ich ging.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Hinter dem Ural

Ich telefoniere heute mit meinem Angehörigen, er sagt, die neue Kraft, die ihn jetzt morgens anzieht, kommt von hinter dem Ural. Aber sie ist nett und kann gut Deutsch.
Wo das in Asien wohl ist? Haben wir nicht noch immer etliche Arbeitslose bei uns?
Kleinmachnow war mal DDR. Vielleicht gab es damals dort schon derartigen Austausch an Arbeitskräften?
Für mich als ehemaligem West Berliner ein absurder Gedankengang. Von so weit her. Naja, wir hatten mal koreanische Krankenschwestern.
Nun aber auf, in den Drogeriemarkt, Kukident und Prostatakapseln für ihn kaufen.
Zur Ruhe komm ich nie als Angehöriger vom Augustinum.

Hast und Eile

Ich haste durch den langen Gang, will meinen Angehörigen besuchen, nach der Arbeit.
Eine alte Dame bremst mich aus. Sie läuft sehr langsam und pupst beständig und sehr laut den Gang entlang.
Es stinkt bestialisch, mir werden die Zähne stumpf.
Fakt ist: Dies Innehalten zwingt zum Nachdenken. Wir werden alle mal alt, brauchen Nachsicht.
Wer nicht alt werden will, muss sich jung einen Strick nehmen.
Fakt ist auch: Die neuen Wortschöpfungen verschleiern. Egal ob Wohnstift oder Seniorenresidenz, es ist ein Altenheim, das Heim von alten Menschen. Also: abbremsen, aushalten, warten.
Und übrigens: Ein Entsorgungspark ist eine Müllkippe.

Hygienemüll

Im Müllraum steht am Müllschlucker:
Nur für Hygienemüll.
Hm. Seit wann ist denn Müll hygienisch?

http://de.wikipedia.org/wiki/Hygiene

Nun hab ich sogar Wikipedia bemüht.
Hier steh ich nun, ich armer Thor und bin so klug als wie zuvor....

Darf ich nun den Müllbeutel aus der Küchenzeile unter der Spüle gut verknotet zur vorgeschriebenen Zeit hinunterwerfen?
Ja, nein, vielleicht?

Der weite Weg...



Das Augustinum Kleinmachnow liegt abgelegen, abgeschieden.

Ich fahre fast täglich 30 Minuten mit dem Auto hin und 30 Minuten zurück um meinen Angehörigen zu besuchen.

Die Bushaltestellen liegen recht weit entfernt, zu weit für Gehbehinderte.

Der alte Lord im Augustinum braucht einen Ford...



Sicher, sie haben einen Shuttle um zum Einkaufen zu fahren und man kann auch eine Taxe nehmen...

Je älter man wird, um so beschwerlicher ist das Leben dort.