Dienstag, 28. Februar 2012

Schlechte Laune

Erst hab ich heute Emails dem Augustinum geschickt bezüglich der Antibiotikaaugentropfen, die noch immer nicht da sind...
Um 16 Uhr fahr ich los, um 16 Uhr 30 bin ich bei meinem Verwandten in seinem Schliessfach. Er hat sehr schlechte Laune. Er hat nachmittags nach dem Schläfchen auf der Bettkante gesessen, den Notrufpieper gedrückt, er wollte Hilfe beim Anziehen und niemand kam. Er sass wohl 50 Minuten so da, zwischen drei und vier Uhr nachmittags. Irgendjemand kam dann doch noch, sagte der Pieper gehört überprüft.
Ich hab Kaffee gekocht, ein Schreiben der Krankenkasse aufgemacht, sie wollen doch echt einen neuen Versichertenausweis mit Foto von einem Greis machen. Ich hab alles nach einem Passfoto durchsucht... Ja, ich fand dann ein älteres und sandte es der Kasse mit dem Formular als Rückantwort.
Nach dem Abendbrot kam eine Schwester zum Augenträufeln, sie überprüfte den Pieper auf mein Verlangen hin. Der Pieper ist defekt.
Routinekontrollen diesbezüglich gibt es wohl keine im Augustinum. Morgen wollen sie sich drum kümmern.
Morgen kommt wohl auch der Zahnarzt das Gebiss kontrollieren, aber das passt auch nicht, es schlackert nun...
Um 20 Uhr 15 war ich wieder zu Hause.

Vorträge - Lesungen

Im März kommen wohl Ulrich Kienzle, Journalist und Peter Weck, Schauspieler zu Lesungen ins Augustinum Kleinmachnow. Sie wollen den Umsatz ihrer Bücher steigern. Das ist eine andere Welt, Peter Weck war vor meiner Zeit und Kienzle interessiert mich auch nicht. Sicher interessiert dies etliche Bewohner, das Augustinum gibt sich viel Mühe mit solch Veranstaltungen im Theatersaal. Ich bewege mich aber im sehr eingeschränkten Rahmen meines 90jährigen Verwandten, für den ist das nicht mehr machbar. Für diese sehr alten Menschen bietet das Augustinum wenig, nur diesen Demenztreffpunkt. Dort war mein Verwandter monatelang, es hat ihm nicht gefallen und er erzählt blumig die Schandtaten der anderen Bewohner dort. Er wollte nicht mehr am Treffpunkt teilhaben.
Kurzweilige, kurze Veranstaltungen für wirklich sehr alte Menschen, die hat das Augustinum nicht. Die pflegebedürftigen Mitbewohner ohne Demenz werden diesbezüglich vergessen. Man empfiehlt ihnen auch immer wieder den Demenztreffpunkt. Dort gibt es dann täglich immer wieder den Kaiserwalzer und den Rosenkavalier und Ermahnungen: Herr Dr. Wiesowie, schmieren Sie doch nicht ihre Hände an dem schönen Tischtuch ab. Frau Bumsdings, stellen Sie doch ihr Hörgerät an. Fr. Dingsbums, freuen Sie sich doch, dass Sie nun einen Dauerkatheter haben...
Das Gefälle von dem, was, sagen wir, 70jährigen dort geboten wird und dem, was sie steinalten Menschen bieten, ist riesig.
In meiner Wohnung hier daheim vergammle ich dann im hohen Alter besser und billiger.
Und wenn ich 75 Jahre alt bin, dann fahre ich halt alle Vierteljahr mal mit der Taxe ins Theater oder die Oper. So oft brauche ich kein Kulturprogramm.

Montag, 27. Februar 2012

Ruhiger Tag

Heute war der erste Tag seit langem, an dem es etwas ruhiger war. Gut ist was anderes, aber wenn es immer so wäre, dann wär es auszuhalten.
Nein, das Antibiotikum für die Augenentzündung ist noch immer nicht da.
Ich rief an heute nachmittags und fuhr am frühen Abend meinen Verwandten im Augustinum besuchen. Ich machte ihm Abendbrot, putzte die Wohnung. Er hat seine Zähne wieder, sie wollen das nochmal am Mittwoch überprüfen. So war ich dann heut schon um 20 Uhr zu Hause.

Besuchsregelung

Das Augustinum hat eine merkwürdig von normalen Mietverträgen abweichende Besuchsregelung. Gäste dürfen nur ganz kurze Zeit mit im Apartment übernachten, ich glaube es sind wohl nur zwei Tage, sagte mein Verwandter. Sollte jemand länger bleiben wollen, dann muss er in ein Gästeapartment ziehen, das kostet für 1 Person wohl 50 Euro pro Übernachtung und für 2 Personen wohl 80 Euro. Frühstück, Garagenstellplatz etc. kommt natürlich extra. Ich hab mal so ein Gästeapartment gesehen, sehr modern und unbequem eingerichtet, nichts für ältere Herrschaften. Aber, was schlimmer ist, ich hab 2 Onkels, beide an anderen Enden Deutschlands. Es sind ganz normale Altersrentner, verheiratet, mit ganz normaler bescheidener Altersrente. Und für diese sind die Gästeapartments einfach zu teuer. Dies schränkt natürlich ansonsten willkommene Besuche der Familie bei meinem Verwandten ein. Früher traf man sich mehrmals im Jahr, vor dem Einzug ins Augustinum. Nun gibt es fast nur noch Telefongespräche und Briefe. Schade.
Dies ist für mich ein gewichtiger Grund nie ins Augustinum zu ziehen. Wir sind eine gesellige, lustige Familie und lieben es beisammen zu sitzen und zu erzählen und zu lachen. Gegenseitige Besuche waren bei uns an der Tagesordnung, auch über grosse Distanzen. Logierbesuch störte uns nicht. Ein Theater kann dies Manko nicht wett machen.
Jede Mietwohnung oder eigenes Haus ist dem Augustinum diesbezüglich überlegen und vorzuziehen. Das Augustinum ist sowieso nur wie ein Hotel garni für alte Leute.

Sonntag, 26. Februar 2012

Anruf am Nachmittag

Ich ruf an, erkundige mich, ob alles in Ordnung ist. Ja, da war ein Pfleger, der meinem Angehörigen Kaffee gekocht hat. Der kommt auch abends und macht ihm eine fixe Tasse. Jemand war da das nicht passende, drückende Gebiss abholen. Ich tröste meinen Verwandten, ich komm ja morgen am Abend zu ihm. Bis dahin muss ich wenigstens einen Teil der liegengebliebenen Arbeit schaffen. Richtig frei hab ich seit langem nicht.

Samstag, 25. Februar 2012

So war das damals...

Ich geb den Zettel für morgen für die Pflege beim Empfang ab. Zufälligerweise erscheint dort auf einem Monitor ein adliger Name. Auf dem Weg zum Auto fällt es mir ein: Das war eine Familie, die zu Kaisers Zeiten zig tausende Menschen kujoniert und ausgebeutet hat. Es gab in der Mark Brandenburg zwei Adelsgeschlechter, denen die meisten Rittergüter gehörten. Dieser Name gehört zu einer dieser Familien. Die Rittergüter wurden von Verwaltern geleitet, die Adligen kassierten ab. Die Arbeiter erhielten Kost und Logis und einen ganz minimalen Lohn. Das nannte sich Deputat. Mein Urgrossvater war auf einem Rittergut Kornbodenmeister. Meine Grossmutter erhielt pro Jahr 1914: Kost, Logis, eine Schürze, ein Paar Holzpantinen und eine 20 Goldmarkmünze mit Kaiser Wilhelms Gesicht drauf. Das war alles. Für 6 1/2 Tage in der Woche arbeiten bei 12 Stunden Arbeit pro Tag. Sonntags war Kirchgang erlaubt.
Die Konsequenz war: Diese Landarbeiter waren links, sehr links und nicht für Kaiserreich und Adel.
Und eine Nachfahrin dieser Familie lebt nun im Augustinum. Naja, es gibt keine Sippenhaft, vielleicht stammt ihre Mietzahlung nicht vom krummen Rücken meiner Vorfahren.
Und ich überleg, ob sowas im Erbgut ist, wie die von Thilo Sarrazin besungene mindere Intelligenz der Kopftuchmädchen.
Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein. Und im Vergleich zu damals geht es mir bonfortionös.
Die Grossmutter mit dem geringen Lohn schrieb mir ins Poesiealbum:
Geniesse, was Dir Gott beschieden,
entbehre gern, was Du nicht hast,
ein jeder Stand hat seinen Frieden,
ein jeder Stand hat seine Last.

Wohlhabende Menschen

Ich kenn wohlhabende alte Menschen, die sich eine eigene Pflegekraft leisten, meist unterstützt, entlastet von einer Haushaltshilfe. Sowas findet man so, über Zeitungsanzeigen, über Agenturen - auch im Internet - von hier, aus Polen...
Ofmals läuft das auch recht gut für alle Beteiligten, von anfänglichen Eingewöhnungsschwierigkeiten mal abgesehen. Da rappelt kein Handy, da treibt kein Computer, da gibt es keine Liste Wartender und keine Uniform.
Den weniger Betuchten bleibt ein ambulanter Pflegedienst, der ins Haus kommt, und die Besuchsdienste der diversen caritativen Vereinigungen und fahrbarer Mittagstisch.
Im Pflegebereich gibt es unzählige unterschiedliche Lebensformen. Ein Wohnstift ist nur eine davon.

Endlich ein wenig ruhiger

Ich fahr um 15 Uhr 30 los, nach Hause komm ich um 21 Uhr.
Dazwischen geht es meinem Verwandten etwas besser, aber ohne Zähne. Wir behelfen uns mit Kaffee, labberig-leckerer Erdbeertorte aus dem Cafe-Restaurant, Milch, fixe Tasse Hühnersuppe und Banane.
Nächste Woche wird das bestimmt wieder besser mit den Zähnen, vertröste ich meinen Angehörigen. Keine Zähne in der Schnauze, aber "La Paloma" pfeiffen. Wenn die Zähne in Ordnung sind, dann schieb ich ihn im Rollstuhl auf Brautschau durchs Haus. Das ist doch kein Leben, abends immer alleine vor Radio und Fernseher sitzen.
Heute hat er von seiner verstorbenen Frau und seinem damaligen Chef geträumt. Ein witziger Traum. Ja, Blinde können nicht sehen, sie sehen aber im Traum alles ganz normal. Da sind sie dann nicht blind.
Die Pflege kommt die Augen träufeln. Das Antibiotikum ist noch nicht da. Und ihr Vibrator in der Hosentasche rappelt und klingelt wie immer. Sie versteht nicht, wie abhängig sie von ihren Martercomputern ist, diese Hörigkeit gegenüber Firma und Technik ist ungewöhnlich, oder etwa doch nicht?
Jedenfalls schreib ich der Pflege einen Zettel, dass ich morgen zu Hause bleibe. Na dann, bis Montag.

Du hast den Farbfilm vergessen

Gestern brannte im Andachtsraum des Augustinums eine Kerze und ein Kondolenzbuch lag aus. Jemand war verstorben.
Heute dröhnte es dort hinter verschlossenen Türen: Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael. Ja, der alte Nina Hagen Song und der Chor klang gut.
Eine elegante alte Frau beschwerte sich, die Brandschutztür und wohl auch der Notruf in der Tiefgarage ging nicht, ihr Auto war gefangen. Sie fährt noch Auto, dachte ich bei mir. Bei aller Eleganz, die Fältchen um die Augen minimert Frau von Welt doch mit Hämorrhoidensalbe. Jedenfalls war sie sehr aufgeregt. Jemand vom Haus sah nach und man bemühte den Elektriker. Solch eine Aufregung bei der Dame. Ich versuchte sie zu beruhigen. Manchmal geht die Eingangstür bei Kälte kaputt, der Schlagbaum geht nicht richtig, es gab mehrfach einen total von Polizeifahrzeugen vollgestellten Parkplatz, das ist bei Überfällen so, da gab es auch kein vor und kein zurück... In jedem Kaufhaus geht die Rolltreppe mal kaputt. Sie verstand es nicht. Sowas darf in ihrer Welt nicht vorkommen. Was macht die betagte Dame wohl, wenn sie mal nen platten Reifen hat?

Freitag, 24. Februar 2012

Dicke Backe

Um 15 Uhr 30 fahr ich los, bepackt mit allem, was mein Verwandter so braucht, Grosseinkauf.
Angekommen, stell ich fest: Es geht ihm nicht so gut, er ist auch schlecht gelaunt. Die Rollläden wurden in einem Zimmer nicht hochgezogen, die Wärmflasche liegt auf einem Stuhl... Ich koch Kaffee, kümmere mich um die Post, eine Menge Arbeit heute, mach Abendbrot und stell fest: Er hat eine dicke Backe. Ich ruf die diensthabende Schwester über den Empfang. Sie sieht sich die Misere an. Das mit dem Gebiss unterfüttern hat nicht geklappt, mein Verwandter hat eine grosse dunkelrote Stelle im Unterkiefer. Also: Zähne raus, mit Mundspüllösung spülen und die Schwester will das mit dem Zahnarzt regeln.
Aber warum bestellt sie das Essen nicht um? Ich geh zum Empfang und sag denen, man möge meinem Verwandten bitte morgen das Essen pürieren.
Und die Zahnärztin nicht weit aus Kleinmachnow hat selber nicht nachgeschaut, sie hat nur ihre Sprechstundenhilfe vorbeigeschickt, am 21. 2. vormittags. Die hat einen Gebissabdruck gemacht und ein Dentallabor aus Kleinmachnow hat das Gebiss zurückgeschickt. Und nun geht nichts.
Verklebte Augen hat er immer noch, die Order zum 3 Mal täglich Antibiotika träufeln ist da, aber noch immer nicht das Medikament.
Lerne zu leiden ohne zu klagen?
Gegen 20 Uhr 45 bin ich dann wieder zu Hause. Da ist es am schönsten!

Freundschaft

Ich telefonier heut mit einer alten Freundschaft, ihre Mutter kommt in ihrer Wohnung mit ambulantem Pflegedienst nicht mehr klar. So haben sie sich ein neues, sehr grosses Wohnstift in Zehlendorf angesehen, dies hat ihnen nicht gefallen, sie waren ein Heim in der Nähe ansehen, das war ok und wollen noch zwei Heime ansehen und dann entscheiden. Eine Finanzfrage ist das nicht, die alte Dame war Zahnärztin. Das Augustinum wurde nicht erwähnt, man zieht nur Objekte in Berlin in Betracht, die gut mit dem Bus zu erreichen sind.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Betreuung

Heutzutage ist Betreuung von Amts wegen das, was früher mal Vormundschaft war.
Jemand kümmert sich um alle öffentlichen Rechtsgeschäfte eines hilfebedürftigen Menschen, der keine Verwandten usw. hat.
Da gibt es für normale, nicht sonderlich vermögende Menschen ehrenamtliche Betreuer. Die bekommen eine Aufwandsentschädigung von ca. 36 Euro im Monat. Na, das ist nicht viel Geld für viele Briefe, Überweisungen, Besuche etc. Ehrenamtlicher Betreuer ist ähnlich gelagert wie Schöffe oder Schiedsmann.
Wenn jemand keine Verwandtschaft hat und vermögend ist, dann macht dies in der Regel ein Anwalt. Dies hat seinen Preis und auch seine Grenzen. Und so ist jemand ohne Verwandtschaft im Augustinum vielleicht doch ein armer Wicht. Ärmer dran als eine Omi, die mit 600 Euro Rente und 600 Euro Pflegegeld bei ihren Kindern lebt, die sich um sie kümmern.

No goes im Augustinum

Immer wieder hört mein Verwandter vom Pflegepersonal Sprüche, die einfach nicht gehen. Zum Beispiel: "Aber Herr Sowieso, Sie haben doch Verwandte, was sollen die denn sagen, die keinen haben, der sich kümmert?" Ja, das frag ich mich auch.... Und wieso meinen sie, ich soll das alles machen? Meine Arbeitsstelle ist doch nicht im Augustinum, sondern ganz woanders.
Noch solch ein Spruch: "Für Ihre Erben bleibt doch noch genug"... Woher wollen die denn wissen a) wieviel da ist und b) wieviel genug ist und c) wieviel er noch (ver)braucht ? Meine Kristallkugel sagt mir sowas nicht genau an.
Ich schau dann auf die Abrechnungen des Augustinums.
Stirbt wer, sagen die dort Arbeitenden: "Das Thema hat sich erledigt." Und auf dem Grabstein steht dann: Unvergessen...
Egal wie nett die Pflegeroboter zu den dort Wohnenden tun, sie haben keine richtige Beziehung zu ihnen. Sie machen ihre Arbeit, nach der Arbeit hören sie auf. Das ist normal. Und ich fang dort erst nach der Arbeit an, weil ich mich verantwortlich fühle und dankbar bin. Es ist mein Verwandter.

Genug Post

Der Briefkasten meines Angehörigen ist voll. Im Schliessfach liegt die Wärmflasche auf einem Stuhl, Rollläden sind in einem Zimmer runtergelassen. Man hat die dreckige Wäsche abgeholt. Einiges läuft jetzt zur Zeit besser, aber nicht alles.
Ich koch Kaffee und wir besprechen die Post, die ich vorlese. Endlich habe ich eine Kostenübersicht über Posten der Pflege, welche die Kasse übernimmt, Posten, welche der Arzt beantragen muss und Wahlleistungen, die man selber bezahlen muss. Ich finde, darüber hätten sie uns vor Jahren, als der Pflegedienst des Augustinums mit der Pflege anfing, informieren müssen.
Einiges versteh ich jetzt besser, ich werde diese Auflistung noch mehrfach lesen, damit ich sie besser verstehe.
Das Gebiss meines Verwandten ist unterfüttert, das ging jetzt super schnell und ich erwarte die Rechnung für die Arbeit des Dentallabors. Aber ohne mein Intervenieren hätte das Haus sich noch lange nicht darum gekümmert.
Der Haustechniker kommt und baut eine Zeitschaltuhr in den Schaltkasten, der nun die Klingel automatisch ein- und abstellt. Ein guter, kompetenter Mann. Ich sag ihm: Sie könnten bei mir zu Hause weiter machen, aber ich weiss: das darf er ja nicht.
Mein Verwandter und ich lesen die Hauszeitung "die Woche" mit den Ankündigungen der kommenden Veranstaltungen. Wer was unternehmen möchte, der hat viel Auswahl und Abwechslung im Augustinum. Eine Bewohnerin ist verstorben, zwei neue ziehen ein. Eine Frau Professor Doktor Sowieso und eine Gräfin von und zu Hinundzurück-Raufundrunter. Ich denk mir so: Man bleibt halt standesgemäss unter sich, so wie früher üblich. Wie soll mein Verwandter mit 90 Jahren hier bloss eine neue Frau finden? Die Damen sind so wohlerzogen und etepetete. Man hat es schwer als alter Knacker im Augustinum. In meiner Nachbarschaft wohnt auch ein Professor, aber der ist meist nicht ganz nüchtern...
Ich mach Abendbrot, kümmere mich um den Haushalt, beim Gehen stoss ich beim Müll raustragen fast mit einem mir gut bekannten Pflegeroboter zusammen, der einen Bewohner im Rollstuhl schiebt. Wir erschrecken uns alle und lachen schallend danach.
Auf dem Nachhauseweg halt ich an, kauf Lebensmittel ein, die bring ich meinem Verwandten morgen mit und bin um 20 Uhr 30 zu Hause.

Seniorenclub in Berlin-Steglitz

Heute nachmittags war ich beruflich mal wieder in einem berliner Seniorenclub. Schönes Haus mit grossem attraktivem Garten, alles frisch renoviert. Ehrenamtliche Mitarbeiter schenken Kaffee und Kuchen aus, alles prima Qualität. An der Wand des sehr grossen Raumes für ca. 80 Personen steht ein Klavier. Dort gibt es auch immer wieder gute Shows, Musikveranstaltungen, Vorträge. Ein Kaffeegedeck kostet ca. 5 Euro, mit Programm. Hobbygruppen und Kurse gibt es dort auch im Angebot. Das ist ein gutes Angebot. Solch Häuser gibt es allein in Steglitz ca. sechs.
Von dort aus bin ich gleich ins Augustinum zu meinem Angehörigen.

Mittwoch, 22. Februar 2012

Man macht sich Gedanken

Man macht sich Gedanken über das Leben im Alter. Das nennt man dann verantwortungsvoll. Und dann kommen Firmen wie Wohnstifte und machen teure Angebote.
Vor Jahren sagte eine gute Freundin in der Nachbarschaft: Wenn man im Alter ins Pflegeheim muss, dann ist das nun mal so. Recht hatte sie. Aber sie wurde mit 75 Jahren sehr tüdelig, wunderlich, vergesslich, lebte mit ihrem Mann und Hund in ihrem Haus und das ging auch. Dann wurde sie von einer alten Krebserkrankung eingeholt und verstarb im Krankenhaus. In ein Pflegeheim musste sie nie.
Sagte jetzt mein Nachbar, auch schon älter und wirklich seit Jahren nicht mehr gesund:
Lassen Sie das einfach auf sich zukommen.
Guter Rat ist billig.
Danke, Herr Nachbar.
So machen wir das.

Wie immer

Um 16 Uhr komm ich ins Apartment, in einem Zimmer hat keiner die Rollläden hochgezogen. Ich koch Kaffee zum Nachmittag, nichts ist im Kühlschrank an seinem Platz, nun gibt es ja überall kleine Schildchen, was wohin gehört, die Pflege hält sich nicht dran, da kann mein Verwandter sich nicht zurecht finden. Die Wärmflasche liegt irgendwo auf einem Stuhl... Die Pfleger sind Legastheniker. "Wir pflegen Sie nach Ihren Wünschen", das ist gelogen.
Ich schreib den Pflegedienst an wg. Ärzten, Zahnarzt, schick der Augenärztin einen Überweisungsschein, erledige den Bürokram. Wir besprechen den Speiseplan mit Auswahlmöglichkeiten.
Ich fahr kurz in einen Laden, wir brauchen noch was fürs Abendbrot.
18 Uhr 30 bin ich wieder da. Die Rollläden sind in einem Zimmer runtergelassen, im anderen nicht und er sitzt im Schlafanzug im Sessel. Man hat ihn zu früh ausgezogen. Er will noch nicht ins Bett, aber ich kenn das schon: Die Pfleger wollen pünktlich Feierabend machen.
Als er dann im Schlafanzug Abendbrot isst, da schimpft mein Verwandter auf die Pflege. Und ich räum auf und mach den Abwasch.
Um 20 Uhr 30 bin ich wieder zu Hause.

Philosophie

Das schwerfällige Augustinum hat seine eigenen Vorstellungen vom Alter, eine Philosophie, wie das Leben im Alter sein soll. Sie versprechen das Paradies auf Erden. Alles wird den Alten abgenommen, vieles wird geboten. Es kostet sehr viel Geld. Die Angst vor dem Sterben und alleine sein treibt die alten Leute hin. Aber, je mehr es ans Sterben geht, um so einsamer ist man in seinem eigenen Apartment mit dem ambulanten Pflegedienst.
Umdenken kann das Augustinum nicht. Es ist zentral gesteuert. Ausnahmen werden kaum gemacht. Es ist wie Franchise. Dänisches Bettenlager, Burger King, Kamps...
Das Augustinum hat irgendwann das Haus in Kleinmachnow an die Commerzbank verkauft und die Bewohner erst hinterher informiert. Die Bewohner haben das gar nicht gut gefunden, sie haben ja sehr grosse Darlehnssummen hinterlegt und kein Mitspracherecht.

Und es ist ein wenig wie eine Sekte. Es erinnert mich an Scientology.
Sekten operieren mit der Angst vor der Hölle und versprechen das Paradies, wenn man dem folgt, was die Sekte sagt. Das kostet meist viel mehr als die Kirchensteuer.
Sekten sind nicht nur oder nicht Gesetz konform, haben eigene Spielregeln. Im Augustinum ist das z. B. die Hausordnung. Alles wird genau geregelt. Mitarbeiter müssen einer Kirche angehören, sie müssen sich taufen lassen, wenn sie dort arbeiten wollen und sie haben strikte Anweisung, wie sie sich kleiden und verhalten müssen. Eigentlich tragen sie eine Maske, die sie nach der Arbeit ablegen.
Der Mietvertrag ist ähnlich, alles wird geregelt und zwar anders als in normalen Wohnungsmietverträgen - z. B. das Besuchsrecht.
Dass man sich vielleicht, nur ein Beispiel, einen anderen ambulanten Pflegedienst aussuchen möchte - das darf man laut Gesetz frei wählen - ist für das Augustinum undenkbar.

Zum Vergleich: Das Rote Kreuz arbeitet ohne Ansehen der Person, des Einkommens, der Religion, Hautfarbe etc.

Wie Ersatzkaffee

Augustinum verhält sich zum richtigen Leben wie Muckefuck zu Kaffee. Im Augustinum ist die Küche keine richtige Küche, der Herd nur ein Kocher, das Bad nur ein Duschbad, das Lädchen kein Laden und im Cappuchino ist keine Sahne.
Viele die dort hinziehen denken erst, toll, so viel los und so ein gutes Programm. Oft stimmt das sogar, aber nach einer Weile werden die dort Lebenden dessen überdrüssig. Wenn sie tatsächlich mal feingemacht das Theater nutzen, dann verschwinden sie hinterher schnellstens in ihren Schliessfächern.
Sie mieten sündhaft teure Apartments und sitzen vor der Glotze, genau wie vorher in ihren Häusern. Und die Fernseher dröhnen in Überlautstärke aus den Wohnungen. Kleinmachnow und Teltow sind weit und Berlin erst recht. Das reduziert die Kontakte und Erlebnisse. Sie werden nicht mehr gefordert, die Bewohner. Wo ich lebe bleiben die Alten länger jung. Sie mühen sich, sind aktiv und geben nicht auf.
Im Augustinum sind die Bewohner fast nur unter alten Menschen. Manchmal kommen Verwandte zu Besuch. Die jungen Familien, die das Babyschwimmen nutzen, gehen durch einen Nebeneingang ohne Kontakt zu den Bewohnern.
Nur einige nutzen die Bibliothek und so gut wie keiner ausser uns den Computer.
Manchmal sitzt wer im Foyer und im Sommer werden die Bänke vor dem Haus genutzt. Aber das ist bei uns im Park auch so. Dafür braucht man nicht nach Kleinmachnow ins Augustinum zu ziehen.
Zuerst merkt man das dort nicht, besonders wenn man noch sein Auto in der Tiefgarage abstellt. Aber dann wenn z. B. die Beine nicht mehr so wollen...
Man hat dann Telefon, regelt auch vieles mit dem Empfang und draussen ist ein Briefkasten.
Haare geschnitten bekommt man dort auch und Fusspflege, aber das ist mir der Mietpreis nicht wert.
Auch bei uns gibt es mobilen Service.
Also: Ich hab mich für einen Lebensabend ohne Ersatzkaffee und mit richtigem, guten Milchkaffee entschieden. Zu Hause ist es am Schönsten.

Dienstag, 21. Februar 2012

Ich vergleiche

In meiner kleinen Welt, einer alten Siedlung, bleiben die Alten in ihren Häusern wohnen. Geniessen ihren Garten.
Vor kurzem verstarb ein Nachbar, Alter Mitte 70, nach 4wöchigem Krankenhausaufenthalt. Davor ein 95jähriger, er lebte bei seinen Kindern, lange rüstig und der Pflegedienst kam nur 3 Tage. Ein 80jähriger zog vor kurzem in die erste Etage seines Hauses, die Putzfrau wohnt jetzt unten und kümmert sich auch um den Garten. Eine ältere Dame fiel die Treppe runter und war tot, eine andere ca. 80jährige fiel tot um. Eine Familie baute für die Mutter das Haus um, der Pflegedienst kam lange Zeit und die alte Dame musste dann noch ca. für 4 Wochen in ein Pflegeheim. Eine Hundertjährige verstarb, sie wurde von ihrem Sohn gepflegt, kurz nach ihrem Tod fand man ihn auch tot auf. Eine 75jährige verstarb im Krankenhaus, ich glaub sie hatte 8 OPs. Eine sehr alte Dame ging ins Pflegeheim, man erhält ihr ihr Haus. Ein Querschnittsgelähmter lebt in seinem mit Rampe umgebauten Haus und bekommt Hilfe vom Amt.
Ich glaub Interesse an Theater oder Musikveranstaltungen gibt es hier bei uns weniger, es hat nicht solch einen hohen Stellenwert wie z. B. das Interesse am eigenen Garten.
Uns reicht der Fernseher, Besuch und der Briefträger und evt. die Kirchengemeinde oder der Altentreff vom Amt.
Und uns hier reicht durchaus ein Menuebringedienst oder der Lebensmittellieferservice.
Ein alter Herr bestellt vieles per Computer.
Einige haben eine Putzfrau, manche jemand der gärtnert und fast alle einen Schneeräumdienst.
Wenn mir jemand sagen würde: Verkauf Dein Haus und zieh in eine Altenwohnung, das wär ein Affront.
Das Augustinum erscheint mir sinnlos.
Warum sollte ich jahrelang mit irgendwelchen Unternehmungen unter alten Menschen bis zu meinem Tod die Zeit totschlagen, wo ich doch ganz normal mit Alt und Jung in meiner intakten Nachbarschaft leben möchte und kann?

3 Anrufe und Gespräch mit der Bank

Heute hab ich drei Mal angerufen. Beim ersten Mal, vormittags, war eine Zahnarzthelferin da, das Gebiss meines Verwandten soll neu unterfüttert werden, es drückt. Die Pflege hat auf meinen Wunsch nun schnell reagiert, aber die Pfleger haben sicher längere Zeit beim Mittagessen gehört, dass es klappert. Ein Termin für einen Urologen im März haben wir nun auch und die Augenärztin schickt ein Rezept.
Dann war der Heimleiter da, zum Gratulieren, der Termin hatte wohl gestern mit Besuchern für meinen Verwandten kollidiert. Es gibt eine Einladung vom Haus für eine gemeinsame Geburtstagsfeier für alle im Februar geborenen im Augustinum, ich darf sogar mitkommen, meinen Verwandten begleiten.
Abends rief ich an, man hatte ihm gerade Abendbrot gemacht.
Nachmittags, nach der Arbeit war ich bei der Bank meines Angehörigen. Sie haben damals der über 80jährigen Frau meines Verwandten Anleihen in Irland, Langläufer bis 2015, geschlossene Immobilienfonds etc. verkauft. Alles zu Höchstkursen, heute viel weniger wert und schlecht zur Zeit zu veräussern. Ja, es war die Bankfiliale im Augustinum. Dies Gespräch dauerte natürlich länger.
Vor Jahren war das mal ein sehr schönes Haus, Klinker, Winkelbungalow. Also, dies Haus wär mir lieber als das, was da noch auf der Bank ist. Der Vorstellung des Augustinums: Verkaufen Sie Ihr Haus, ziehen Sie bei uns ein und ihr Leben ist phantastisch... ja, so steht es im Internet und sie malen das mit rosaroter Brille, kann ich mich leider nicht anschliessen. Im Falle meines Verwandten sieht das anders aus.
Und ich kenne noch einen Fall aus einem anderen Stift mit der gleichen Bank, wo die Geldanlagen ähnlich schlecht strukturiert waren, ausländische Langläufer, die viel an Wert verloren. Die Erben schimpfen noch immer, auch sie kümmerten sich um ihre Mutter.

Die Leute gehen zum Sterben hin

Die Leute gehen zum Sterben ins Augustinum, sagte mein Verwandter mehrfach. Er erzählte von einer Veranstaltung vor geraumer Zeit im Theatersaal, da meldete er sich zu Wort, das Augustinum erinnere ihn an einen Film: "Im Tal des Todes". Eine Herde alter Elefanten verkroch sich zum Sterben in einem Vulkankrater, im heissen Schlamm und dann kamen auch noch die Leichenfledderer und brachen den Elefanten die Elfenbeinstosszähne aus. Er sagte, dass die eine Hälfte der Anwesenden empört war und die andere Hälfte ihm zustimmte.
Nun ist das ja Mist 14 Jahre im Augustinum zu leben, auf den Tod zu warten, wie "Warten auf Godot" und man wollte dort gar nicht einziehen, sondern der verstorbene schwerbehinderte Ehepartner. Viel passiert in der Zeit, man wird blind, die dort geschlossenen Freundschaften sind inzwischen verstorben, man wird in den Demenztreffpunkt abgeschoben, weil die Beine nicht mehr so gut wollen und man blind ist...
Man findet keine neuen Freunde, geschweige denn eine neue Frau und verliert so langsam die Lust am Leben. Blind findet man sich im Augustinum nicht zurecht und braucht viel Hilfe, die man eigentlich von der Familie nie in Anspruch nehmen wollte. Hilfe, die das Augustinum nicht gibt, weil sie keine Blindheit erkennen. Sie sind, wenn überhaupt, auf Demenz geeicht. Die Rente reicht nicht für die Wohnung, zu gross geworden, aber mit 90 Jahren findet man sich blind schwer in einer anderen Wohnung zurecht. Das ist schon gemein, da möchte man aufgeben. Die im Augustinum gebotene Ablenkung oder Zerstreuung beim Warten auf den Tod kann man blind schlecht nutzen.
90 Jahre alt zu werden war sein Ziel, das hat er mit meiner Hilfe erreicht.
So, und nun, wie weiter? Wo ist ein neuer Lebensinhalt oder Sinn? Zur Zeit kann ich keinen für ihn erkennen.
Seine Frau meinte, es sei schön in der Wohnung gepflegt zu werden bis zum Tod. Sie erkannte, dass das für sie nicht zutraf und verstarb schliesslich, besser behütet und umsorgt und versorgt, in einem Krankenhaus.
Und als die Russinnen ihn im Augustinum versorgen kamen, da fragte ich ihn, wo der Unterschied zwischen seiner mehrjährigen Kriegsgefangenschaft in Russland und dem Augustinum ist. Er sagte: In Russland liefen die Hunde am Zaun. Und sprach viel in russischer Sprache... Die missliche Vergangenheit hatte ihn eingeholt.
30 Stunden hab ich ihm vorige Woche geholfen und kann ihm doch im Augustinum nicht helfen.
Würd er sagen, es geht ihm nicht gut, dann würden sie ihm einen Psychologen schicken.
Und notieren in ihrer Akte: Bewohner geduscht, Bewohner fühlt sich wohl...
Und er träumte immer von einem Lebensabend in einem ganz normalen Heim, am liebsten beim Deutschen Roten Kreuz.

Montag, 20. Februar 2012

Der 90. Geburtstag

Als ich um 16 Uhr bepackt mit Sachen für den Geburtstag ins Augustinum komme, da steht ein Mann im hellgelben Bademantel und Latschen am Empfang. Er hat potthässliche Beine. Mein Gott, was für ein Anblick, denke ich und schüttle den Kopf. Und das bei dem Winterwetter. Nachts geistern ja viele so im Haus rum, wurde mir berichtet.
Im Apartment erzählt mir mein Verwandter, was er bisher erlebt hat an seinem 90. Ehrentag. Die Familienmitglieder haben sich gemeldet, auch von weit weg. Zwei nette Damen vom Allgemeinen Blindenverein haben ihn mit einem feinen Geschenk überrascht, vormittags. Das war nett. Die Putzfrau war da und die Dame vom Lädchen. Sie haben sich etwas beim Kuchen bedient, das freut mich.
Ich öffne die Post. Der Stiftsbeirat schickt eine Karte. Das ist ein Bewohnergremium. Ich geb eine Flasche Sekt am Empfang ab, sag: Feiern Sie ruhig schön mit.
Ich koch Kaffee, wir essen Torte. Irgendwer von der Direktion hatte vorher wohl angerufen, ich werde daraus nicht klug, was mein Verwandter erzählt. Da hatte wohl jemand zu viel zu tun, keine Zeit.
Ich mach Fotos, das hat mein Verwandter sich so gewünscht.
Später am frühen Abend wird mein Verwandter ungehalten. Das Augustinum hatte an seinem Geburtstag nichts für ihn übrig, nicht mal eine Karte. Der Bürgermeister von Kleinmachnow hat einen Gratulationsbrief geschickt.
Ich mach Abendbrot, wasch ab... Mein Angehöriger wird sehr müde, ein anstrengender Tag für einen 90 Jährigen, er nickt im Sessel ein. Ich steck ihn in seinen Schlafanzug, geb ihm seine Augentropfen und er geht zu Bett.
Ich trag den Müll raus und hinterlass einen Zettel am Empfang für das Haus, warum sie ihm nicht einmal eine Gratulationskarte zukommen liessen.
Ich pack ein, da kommt die Pflege, es ist 19 Uhr 45. Ich sag: Er schläft schon, ich hab ihn schon zu Bett gebracht und Augentropfen gegeben. Die Pflege nennt ihren Namen nicht, aber das ist heute fast egal, er schläft ja schon.
Eigentlich brauch ich den ambulanten Pflegedienst des Augustinums gar nicht.

Sonntag, 19. Februar 2012

Weitere Geburtstagsvorbereitungen

Um 16 Uhr fahr ich ins Augustinum, man war schon da, wollte Kaffee kochen. Mein Verwandter sagte sie soll gehen, er wartet auf mich. Ich hab das nicht bestellt!
Wir trinken Kaffee, ich bereite alles vor für den Geburtstag, stell Kuchen hin, Blumen, Kerze, der Kühlschrank ist gefüllt.
In einem Zimmer sind die Rollläden runter, ich zieh sie hoch. Ich mach Abendbrot. Die Etiketten sind nicht mehr zu lesen, nutzlos.
Ich wasch ab. Seit drei Tagen lässt sich niemand zum Augenträufeln sehen. Gestern habe man ihn sehr spät zu Bett gebracht, sagt mein Angehöriger. Er habe schon tief und fest im Sessel geschlafen, man hat ihn geweckt um ihn auszuziehen. Ich such die Wärmflasche. Sie ist nicht bei dem Etikett. Sie ist neben dem Waschbecken. Die Pflege ist unzuverlässig. Ich beeile mich, will nach Hause. Immer nur Augustinum, tagein, tagaus. Freizeit? Was ist das? Um 19 Uhr 45 bin ich zu Hause. Ich sitze hier und könnte heulen.

Gemischter Tag

Ich fahr ins Augustinum, in einem Zimmer sind die Rollläden komplett runter. Merkwürdig, das Wäschepaket ist nicht mehr im Servicefach, dafür ein Beutel mit Schmutzwäsche. Bisher lag mehrfach die Dreckwäsche ohne Beutel auf dem dünn in Plastik eingewickelten Wäschepaket. Das fand ich eklig. In der Hauswirtschaft lernte ich: Schmutzwäsche ist strikt von sauberer Wäsche zu trennen. Und: Qualitätskontrolle ist Chefsache. Aber städtische Hauswirtschaft (Oekotrophologie) hat nur bedingt etwas mit Pflege zu tun. Einen Kurs in häuslicher Krankenpflege hab ich auch.
Ich hol leckeren Erdbeerkuchen aus dem Cafe-Restaurant. Es ist eine grosse Musikveranstaltung im Haus mit Sektempfang im Foyer. Das Augustinum gibt sich Mühe mit den nicht Pflegebedürftigen. Das muss man ihm lassen.
Ich mach meine Arbeit, wie immer. Einige Etiketten sind schon nicht mehr zu lesen.
Die Pflegekraft kommt: Guten Tag, ich heisse Frau Sowieso... Nanu, gibt es noch Wunder? Sie will meinen Angehörigen ausziehen, aber da klingelt ihr Vibrator, sie wird woanders benötigt und ist weg, will später kommen. Aber: Weder mein Verwandter noch ich kennen die Dame in lila-weiss. Ständig wechselt das Personal. Augen träufeln war auch niemand da, bis 20 Uhr. Ich erledige die Post, bitte um Arzt und Zahnarztbesuch, schreib: Bitte mit Begleitung. Auch das ist im Augustinum nicht selbstverständlich. Man hat den Blinden schon ohne Begleitung im Krankenwagen losgeschickt, welches Angst verursacht.
Ich find die Wärmflasche an ihrem Platz und da liegen jetzt beide Handtücher.
Nach 20 Uhr verlasse ich das Haus. Bis dahin war noch niemand zum Augenträufeln da. Ich streck zum Abschied der Nashornstatue die Zunge raus.
Zuhause rechne ich: 6 Tage war ich im Augustinum, am 7. Tag hab ich mich telefonisch um die Belange meines Angehörigen gekümmert wie Arzt, Pflegedienstleitung usw. Das waren summasummarum 30 Stunden Zeitaufwand diese Woche fürs Augustinum neben meiner Arbeit und ich bin 60 Jahre alt.
Meine Verwandten zogen dorthin, weil sie keinem zur Last fallen wollten. Da gab es vor langen Jahren mal eine Rechnung für ein Pflegeheim von einem Amt, die ein Verwandter mittragen sollte. Das wollten meine Angehörigen nicht, sie wollten keinem zur Last fallen und im Alter gut versorgt sein. Nun ja.
Das war mein Tag im Heutejournal.

Samstag, 18. Februar 2012

Die Handys

Die uniformierte Pflege hat merkwürdige Gerätschaften.
In der untersten Tasche der weissen Hosen links befindet sich etwas handyähnliches.
Ständig vibriert dies Ding und macht schnarrende Geräusche.
Die Pfleger sagen sie spüren das noch lange nach Dienstschluss.
Wenn dies Teil vibriert, dann sind die Pflegeroboter gezwungen, diesen Apparat aus der Hosentasche zu nehmen, sie müssen darauf starren und einen Knopf drücken.
Dann können sie ihre Arbeit kurzfristig weitermachen, bis die Maschine wieder vibriert.
Ein Marterinstrument ist das. Das Vibrieren verhindert, dass die Pflegeroboter einschlafen, vermute ich. Sie starren dann hypnotisiert auf den Bildschirm, damit sie die verinnerlichte Geschäftspolitik nicht vergessen und drücken eine Taste, dieser kurzfristige Kontakt reicht aus um ihnen Kraft für circa 2 - 3 Minuten zu geben, weiter Handgriffe zu verrichten. Dann vibriert das Teil wieder in der Hosentasche und alles beginnt von vorn. Wahrscheinlich vibriert das Handy auch noch, falls mal wer auf dem Klo ist...
Wirklich gesteuert werden die Pflegeroboter durch einen rechteckigen Kasten, den sie ständig bei sich haben müssen. Auch da drücken sie ständig Tasten und starren auf einen Bildschirm, der sie steuert. Auf Tastendruck bekommen sie angezeigt, wo sie welche Tätigkeit zu verrichten haben. Die Pflege ist ferngesteuert. Andere Handgriffe, als die einprogrammierten, sind ihnen bei Strafe nicht erlaubt. Nach den monotonen, stereotypen Handgriffen, welches sie unmenschlich erscheinen lässt, drücken sie wieder eine Taste, dies bedeutet: Big Brother Rückert lässt den Buchhaltungscomputer rattern und das Augustinum bucht ab. Welcher alte Bewohner kann die Rechnung noch überschauen? Einige bestimmt, aber ab, sagen wir, Pflegestufe 2 und etwa 90 Jahren geht das nicht mehr.
Dieses Computersystem wirkt so unmenschlich auf mich, wie müssen dies sehr alte Menschen empfinden? Es gab eine Dame, die schrie in Augustinum Treffpunkt wochenlang um Hilfe. Vielleicht hätte ihr eine andere Lebenssituation als die Computerpflege geholfen.
Ich war da mal bei den katholischen Christkönigsschwestern in Berlin im alten Theodosius-Krankenhaus zu Besuch, lang ist es her, dieses Pflegeheim gibt es nicht mehr, und fühlte mich wundersam geborgen...

Freitag, 17. Februar 2012

Nette Damen im Restaurant

Ich komm bepackt mit Sachen für den Geburtstag am Montag im Augustinum an. Mit meinem Verwandten im Rollstuhl gehen wir durch das Haus zum Cafe-Restaurant, wir treffen zwei sehr nette Damen, sitzen bei einer am Tisch, sie ist fast so alt wie mein Verwandter, sehr rührig, wir sprechen angeregt über Furthwängler, Berlin, das Stadtschloss und Ostpreussen bei Kaffee und Frankfurter Kranz. Die Dame ist mit Rollator, stark sehbehindert und sehr aufgeschlossen. Wir fühlen uns wohl.
Die Pflege fragt, ob sie Augen träufeln soll, ich sag ja. Nach 20 Uhr, als ich geh, mahn ich die Augentropfen beim Empfang an. Alle im Haus sagen heute: hallo Herr Sowieso. Wie soll ein Blinder wissen, wer das ist? Mein Verwandter hat diesbezüglich aufgegeben. Der Blindenverein hat ein barrierefreies Haus in Spandau, sagt er. Das Augustinum ist blindenunfreundlich. Mein Verwandter kommt nur mit meiner Begleitung zurecht. ich überlege, Spandau ist sehr weit von meinem Zuhause weg. Dahin muss ich mich immer durch die ganze Stadt quälen.
Dann mach ich Abendbrot, such die Wärmflasche, sie ist, wo sie sein soll, aber das Handtuch such ich 10 Minuten vergeblich. Ich nehm ein neues, ein Wäschepaket liegt im Servicefach. Mal sehen ob und wann jemand das wegpackt. Ich hab da so meine Erfahrungen...
Mein Verwandter sagt, dass er schon wieder eine neue morgendliche Pflegekraft hat. Sie sei aus dem Erzgebirge. Ständig hat er, der Blinde, neue Kräfte und soll das verkraften.
Kurz vor 21 Uhr bin ich daheim. 5 Stunden Zeitaufwand heute. Meine Verachtung für das Nashorn, ein ekliges Wesen.

Geburtstagsvorbereitungen

Der Allgemeine Blindenverein hat sich heute für den Geburtstag am Montag angesagt. Mein Verwandter sagt, sie wollen ihn abwerben. Na, hoffentlich.
Ich hab Kuchen und Sekt und, und, und eingekauft. Wer kommt, der kommt.
Wir proben den 90. Geburtstag. Mein Verwandter ist Miss Sophie, ich Admiral van Schneider. Skol!
Wir proben auch Beethovens Neunte.
Sie war blond, drall, hiess Paula und war aus Passau. Ein toller Sketch.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Im Fahrstuhl

Es gibt glaube ich 12 Fahrstühle in dem Haus, vielleicht auch mehr.
Ich fahr mal mit Fahrstuhl Nr. 3. Das ist der, wo, wenn man die Bank hochklappt, ein Sarg quer reinpasst.
Kaum hab ich es mir bequem gemacht, steigt eine Pflegeroboterin zu. Sie husten ja gut, sagt sie und hustet auch. Ich sag: Ach, Sie drehen auch selber?
Auf der Rücktour bin ich an dem Fahrstuhl, wo, wenn man die kleine Bank hochklappt, ein Sarg längs reinpasst. Bestimmt vier Mal kommt der Fahrstuhl, eine Pflegeroboterin sitzt auf der kleinen Bank. Immer wieder. Die Tür geht auf, die lila-weisse Pflege sitzt immer wieder da. Ich denk, ich lass das arme Ding alleine Pause machen, sonst geht ihre Batterie noch kaputt, erbarmungslose Pflegedienstleiter sind das. Im Fahrstuhl Pause machen...
Ich fahr dann mit dem kleinsten Fahrstuhl zurück, da muss Grieneisen die Bahre hochkant stellen, dann können sie ja schon mal anfangen einem toten Mann die Nase auszulutschen luuuuuuupppp, falls die Bestatter bei Grieneisen auch so Akkord schubbern, wie die Pflegeroboter im Augustinum.

Etiketten

Im Apartment ist alles schlimm, wie immer. Ein Pott fast kalter Kaffee steht auf dem Tisch. Da war wer, als ich auf dem Klo war und dann hat die Kaffeemaschine geblubbert, sagt mein blinder Verwandter. Tja, wenn er nicht weiss, dass es jetzt Kaffee gibt und er nicht weiss, wo die Tasse steht, und keiner seine Hand an die Tasse führt, dann wird der Kaffee halt kalt. Und ich hab keinen Kaffee bestellt. Das Computerprogramm der Pflege des Augustinums ist defekt und bleibt defekt. Programmiert auf grösstmöglichen abschöpfbaren Gewinn.
Die junge stellvertretende Pflegedienstleiterin kommt, sie hat mich hinbestellt. Dieser Pflegedienst entscheidet darüber, wann ich antanzen muss und wieviel Arbeit ich zu leisten habe. Unentgeltlich. Sie macht mit mir Etiketten, was wohin gehört. Damit das Personal es leichter hat. Hoffentlich können die auch deutsche Schreibschrift lesen. Ich hab umgekehrt meine liebe Not mit kyrillischer Schreibschrift, ich kann das auch nicht gut! Die Etiketten, naja, der Stift ist nicht wasserfest, das wird nichts auf Dauer.
Im Bad, wo die Waschlappen sein sollen, da ist wieder nichts. Die Waschlappen macht die Pflege in das Wäscheschliessfach. Neue hinhängen? Das macht doch Arbeit. Und so läuft mein Verwandter mit dreckigem Po rum, fühlt sich unwohl und wenn ich komm, dann soll ich ihm Waschlappen hinhängen, jammert er. Er möchte sauber sein.
Ich sag ihr: den nicht bestellten kalten Kaffee bezahle ich nicht. Sie sagt: OK, der Kaffee geht aufs Haus.
Der Pflegedienstleiter ist so von sich und seiner Arbeit überzeugt. Allein sein Anblick bewirkt, ich möcht vor ihm ausspeien. Ich, sein unentgeltlicher Dienstbote.

Haustechnik

Unterwegs treff ich den Leiter der Haustechnik. Der ist nett und kompetent. Ich sprech ihn auf den Klingelschalter an. Sag ihm mein blinder Verwandter hat vor der Aufgabe den Schalter zu suchen kapituliert. Das müsse die Pflege tun, aber die ist in allem unzuverlässig. Frag ihn: Kann man da nicht eine Zeitschaltuhr davorsetzen?
R = U:I kann ich ja noch, aber das ist doch 9 Volt, glaub ich? Wahrscheinlich gibt es dafür auch Zeitschaltuhren...
Was soll es. Wenn die das nicht gebacken kriegen, dann komm ich mit der Bohrmaschine, schalte die Klingel aus und mach die Klingel platt. Rattatazong, weg ist der Balkon. Dann darf jeder höflich klopfen.
Ich sagte dem netten Herrn, und bitte setzen Sie diese Arbeit nicht auf unsere Rechnung. Weil mein Verwandter ist der durch den Klingelterror Geschädigte. Bitte belasten Sie das Konto des Verursachers. Weil das Nashorn hat einen unersättlichen Bedarf, es frisst aus Prinzip nur Geld, bevorzugt in grossen Scheinen.

Der Pope

Halb vier Uhr fahr ich los, ich hab um 16 Uhr einen Termin mit der stellvertretenden Pflegedienstleitung im Schliessfach. Ich komme und dieser ätzende, so von sich und seiner schlechten Arbeit überzeugte Pflegedienstleiter "reitet" gerade vom Parkplatz. Ich schau ihm verächtlich hinterher, denke: Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich fein. Was dieser Mensch anderen antut...
Dann zeige ich dem ekligen, hochnäsigen Münchener Nashorn vor dem Augustinum, es trägt die Nase hoch, dass es reinregnet, den Mittelfinger.
Am Empfang melde ich mich, ein Herr hält mich an. Ach, sag ich. Sie sind der Pope. Er stutzt; ja ich bin der Pope. Ihrem Verwandten geht es gut, darf ich wiederkommen.. Ich sag: Der Pope darf wiederkommen, sagt er. Aber gut geht es ihm nur, weil ich mich jeden Tag 4 - 5 Stunden um ihn kümmere. Ich hab so eine Wut auf das Augustinum, kann das mich ausbeutende Nashorn nicht mehr ertragen, und die Stadtmission ist mir lieber als die Wohlstandsgemeinden. Er sagt: Ich bin nur für die Bewohner zuständig, nicht für die Angehörigen. Begrenzte Nächstenliebe bei der Wohlstandsgemeinde, hab ich es doch gewusst. Ich rufe laut: Gott mit Ihnen und bin weg, auf dem Weg ins Apartment.
So ist das mit dem Evangelium bei der ev. Kirche, ich bleib Protestant. Es ist nicht an mir zu richten.

Ärztin

Die Ärztin bat meinen Verwandten, ich solle sie anrufen.
Zu mir sagte sie: Er ist nicht dement. Ja, sagte sie, der Chef sei mein Ansprechpartner und danach dann eine Aufsichtsbehörde MDK genannt.
Im Augustinum gibt es eine Arztpraxis mit zwei Ärztinnen. Die eine ist Diabetologin, Spezialistin. Da mein Verwandter und auch seine Frau keinen Diabetes haben/hatten, ist sie nicht sonderlich geeignet. Ich hab sie einmal vor Jahren bei meiner Verwandten erlebt, ich mag sie nicht.
Die andere ist sehr nett und gutwillig, es klappt aber nicht so gut mit ihr.
Ich hab keinen Diabetes, bin nicht schwerhörig und hab einen Star auf beiden Augen.
Vieles ist im Erbgut, es würde mir dort im hohen Alter ähnlich ergehen, wie meinem Verwandten.
Ich würd nie ins Augustinum ziehen, sie verstehen zuwenig von Blindheit.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Frühstück

Mein Verwandter sagte mir heute am Telefon: Gestern oder vorgestern kam die Pflegerin zum Frühstück, stellte den Kefir auf den Tisch, sagte mir den soll ich selber aufmachen und war weg.
Das kann er nicht, er ist blind, 100% blind, lebt im Dunkeln.
Ich fragte: Wer war das? Antwort: Das weiss ich nicht, es nennt doch niemand seinen Namen.
Ein Stück trockenes Brioche und ein Pott Kaffee ist alles, was er zum Frühstück hatte.
Das Frühstück hatte er schon mehrfach. Ich sorge für die Lebensmittel, mühe mich und er hat doch nichts zu essen.
Trocken Brot Frühstück. Augustinum oder Gefängnis?
Er sagte, dass die Ärztin mich sprechen wolle, aber keine Telefonnummer von mir habe. OK, ich werde da anrufen. Ist nie was mit einen Tag frei für mich.

Dienstag, 14. Februar 2012

Die Polizei im Augustinum

Wieder mal Polizeieinsatz. Man ermittelt jetzt wegen dem aufgebrochenen Apartment im Augustinum Kleinmachnow.
Sowas darf im Klunkerbunker nicht vorkommen. Omi darf im Nachthemd schlafwandeln, vieles darf vorkommen, aber sowas nicht. Weil: Dann zieht ja keiner ein, oder man lässt Omi dort nicht einziehen. Das Augustinum bietet Sicherheit, so suggeriert es der Empfang, wo sich jeder Besucher anmelden muss.
Vor gut einem Jahr war schon mal so ein schrecklicher Vorfall.
Ich wollte nach Hause, am Foyer lief ich in ein schwarz vermummtes Sondereinsatzkommando der Polizei. Ich blickte in zig Gewehrläufe, auch MGs. Keiner sprach ein Wort mit mir, keiner gab Anweisung.
Nach einer Weile wurde es mir zu dumm. Ich ging raus, auf dem Parkplatz alles mit Polizeifahrzeugen vollgestellt. 7 Fahrzeuge zählte ich, es können mehr gewesen sein.
Ein junger Junkie hatte die Frau von der Bank mit einer Waffe bedroht.
Als ich endlich zu Hause war, da hab ich mich vehement bei der Teltower Polizei beschwert. Wegen dem Schock, den sie mir verpassten. In einem Altenheim.
Das Augustinum legt Wert auf sein offenes Haus. Demenz kann raus... Kriminelle rein...
Vor dem Banküberfall gab es zwei Mitarbeiter am Empfang, seit dem Überfall nur noch einen.
Und nachts gibts nur zwei Schwestern für all die pflegebedürftigen Alten.
Ehrlich: Mit dem Augustinum stimmt was nicht.

Fast ein gewöhnlicher Dienstag

Ich düse für meinen Verwandten zur Bank, kauf dann alles mögliche für seine Geburtstagsparty. Fahr ins Augustinum, mach mit ihm den Essensplan für nächste Woche, wir machen Abendbrot, dann schau ich ins Postfach, les die Nachricht der Heimleitung, ja, heute ist irgendwas anders im Augustinum, die Alten sind anders. Es gab einen Wohnungseinbruch, die Polizei war da.
Aber die lila-weissen Pflegeroboter bleiben stoisch, wie sie immer waren. Kommen ins Apartment: Hallo Herr Sowieso...
Mein Gott, ne. Am Telefon sagt doch auch jeder höflich seinen Namen, oder an einer Gegensprechanlage, weil man sich nicht sieht. Der Mann ist blind. Warum darf er nicht wissen, wer ihn versorgt? Hallo Herr Sowieso jahrelang ist keine vertrauensbildende Massnahme.
Heute waren das fast 5 Stunden Zeitaufwand für mich.

Der Pfarrer

Heute war der Pfarrer mal da. Ich frag meinen Angehörigen: Was wollte der Pope denn?
Ooch, sich mal unterhalten, ein netter Mann ist das, sagt mein Verwandter.
Ich sag: Bei der Stadtmission gefällt es mir besser als bei den Wohlstandsgemeinden. Wenn Jesus als Bahnhofspenner verkleidet bei den reichen Gemeinden Einlass begehrt, dann lassen die ihn vor der Tür stehen.
Sagt mein Verwandter: Da könntest Du recht haben.

Blindenhilfe

Blindenhilfe ist besser als Pflegestufe.
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_12/__72.html

Die Blindenhilfe ermöglicht ein akzeptables Leben für den Blinden, auch eine Begleitperson.

Bei Pflegestufe entfiel im Falle meines Verwandten die Blindenhilfe wg. anderer Schwerbehinderung komplett. So ist das laut Vorschrift.

Die Pflege konzentriert sich auf die Grundversorgung des Pflegebedürftigen.
Dies ist aber bei Blindheit nicht ausreichend.
Morgens waschen, anziehen, Frühstück, mittags Hilfe beim Essen, geringfügige Hilfe im Haushalt, etwas Wäsche waschen und ins Bett bringen.
Ansonsten sitzt der Blinde dann den ganzen Tag bei ambulanter Pflege blind einsam herum und keiner hilft, keiner spricht, keiner muntert auf. Blindheit ist mit Handreichungen, die planmässig im Computer gespeichert werden, nicht zu kompensieren.
Das Augustinum müht sich, die Diskrepanz bleibt.
Ich überlege, ob es möglich ist, wieder zur Blindenhilfe zurückzukehren.
Beispielsweise das teure Augustinum zu verlassen, denn Schwimmbad, Theater etc. werden nicht genutzt. Privat zu wohnen, Blindengeld erneut beantragen und eine private Pflegekraft zusätzlich zu finden und die blödsinnige Pflegeversicherung nicht in Anspruch zu nehmen. Handgriffe nach Plan, schnelle Transporte mit Rollstuhl, all dies lähmt den Blinden. Blindenhilfe baut auf, macht Mut mit Begleitung was zu erleben, man bekommt als Blinder alles erklärt, Blinde brauchen Begleitung und nicht von Pflegekräften in einen Theatersaal geschoben zu werden und dann wieder abgeholt.
Inwieweit Pflegekräfte, die 200 Stundenkurse ablegen z. B. bei Umschulungen etwas über den Umgang mit Blinden lernen, darüber bin ich nicht informiert. Jedenfalls nicht genug.
Vor der Pflegestufe bot der allgemeine Blindenverein eine sehr gute Hilfe und Ausbildung meines blinden Verwandten.
und nun findet er im Augustinum keinen "Passmann".
Vor einem Jahr sagte mir jemand, im Augustinum Kleinmachnow gäbe es drei vollständig blinde Bewohner.
Beim Einzug 1998 in dies Haus konnte mein Verwandter noch sehen. Sehr viele alte Menschen haben grünen Star, Makuladegeneration und Netzhautablösung. Bei Inanspruchnahme der hauseigenen ambulanten Pflege zieht dann die Pflegeversicherung...
Ich versuche mich im Dschungel der Verwaltungsvorschriften etwas sachkundig zu machen.
Der Paragraph 45 mit 45a und 45b (Demenz) ist nicht ausreichend, triff so nicht zu, weil er baut nicht auf, bietet keine Unterstützung für Blinde, sondern Verwahrung.
In meiner Gegenwart blüht der Blinde auf und ich empfinde das Pflegesystem des Augustinums als schrecklich. Es passt einfach nicht.

Montag, 13. Februar 2012

Klingelschalter

Wieder waren es über 4 Stunden Aufenthalt heute. Nach der Apartmentbesichtigung hab ich Kaffee gekocht, Medikamente verabreicht und bin schnell mit dem Wagen zum ca. 1 Kilometer entfernten nächsten Laden, ein Diskonter. Alles besorgt, als ich zurück kam da sagte mein Verwandter: Die Pflege war da, hat ihm die Medikamente gegeben. Ich bin schnellstens zum Empfang, hab dort mit der Schwester telefoniert, die doppelten Medikamente angesagt, damit man Bescheid weiss, falls was ist.
Ein Schalter wurde heute zum Klingel abstellen in einem Schrank im Flur eingebaut. Das sieht industriemässig aus.
Die Klingel ist eine billige Schnarre, in der Wand eingelassen. Nunja.
Zum Abendbrot machte ich Stulle mit Schweinebraten. Alle Arbeit ist meine.
Heute lief nichts nach Plan, nicht einmal der Loriot Sketch mit der Nudel. Wir landeten bald auf der Rennbahn, dann bei Müller Lüdenscheid und in der Badewanne. Das Wasser gehört dem Hotel. Wem gehört die Ente in der Wanne? Wem gehört die Ente im Bett? Die Ente klingelt um halb acht. Morgens um sieben ist die Welt noch in Dortmund. Wir vergeigten einen Sketch nach dem anderen.
Jedenfalls heissen wir Erwin Lottermann, sind 58 Jahre alt, und wir machen mit dem Papst in Wuppertal ein Augustinum auf...
Gute Nacht ihr lieben Sorgen.

Schliessfach tauschen?

Heute bin ich nach der Arbeit ins Augustinum gedüst, ich hatte einen Termin mit einem netten jungen Herrn im dunklen Anzug, der mir ein kleineres Apartment zeigte. Schade, es ist für meinen blinden Verwandten ungeeignet, alles ist seitenverkehrt angeordnet. Die Möbel würden sich nicht wie gewohnt stellen lassen und er würde sich verlaufen, nicht wissen wo er sich befindet und stürzen.
Ansonsten war alles genau so wie im Schliessfach meines Verwandten, die nicht behindertengerechte Mini-Küche hinter Falttüren im fensterlosen Flur versteckt und auch das Bad genau so, aber seitenverkehrt. Alles etwas in die Jahre gekommen. Für mich persönlich: nein danke. Für meinen Verwandten, blind, tapperig, vergesslich, ist das auch nicht machbar.

Das Schliessfach

Das Schliessfach war für zwei gedacht, jeweils mit ordentlicher Rente. Es ist, wie man früher in Kleinmachnow zu sagen pflegte, eine Zweiraumwohnung mit ca. 60 qm. Es liegt im Augustinum, das macht, dass das Schliessfach 2700 Euro Miete warm im Monat kostet. Strom kommt extra. 1998/99 zogen meine Verwandten dort ein. Seit mehr als einem Jahr lebt mein Verwandter nun allein dort, weil ich die Urne seiner Frau in die Erde senken liess, und er bisher mit 90 Jahren noch keine neue Frau gefunden hat... Logierbesuch darf er nur sehr kurzfristig haben, ansonsten muss der Besuch in ein kostenpflichtiges Gästeapartment im Haus. Nun, unsere Verwandtschaft hat nicht so viel Geld, um dort zu übernachten. Auch die anderen Konditionen des Mietverhältnisses sind nicht so günstig wie z. B. bei einer Genossenschaftsseniorenwohnung in Berlin. Dort gibt es eine 1 1/2 Zimmerwohnung mit Dachterrasse, Kochherd, Badewanne und allem Popapi und Fahrstuhl, Rollstuhlkeller, Seniorenclub im Haus für 650 Euro warm, ambulantem Pflegedienst um die Ecke und sämtliche Einkaufsmöglichkeiten mit Lieferservice auch um die Ecke und das Sozialamt beteiligt sich notfalls auch.

Zuerst muss für das Schliessfach eine stattliche Summe als Darlehn gegeben werden. Diese wird gut verzinst. Später zieht das Augustinum die teure Endrenovierung vom Darlehn ab. Die Summe ist so hoch, dass man davon mit Leichtigkeit ein bis zwei Drittel einer Neubaueigentumszweiraumwohnung anzahlen kann.
Was bietet das Schliessfach nun für diesen Mietpreis? 2 Räume, gross genug für 2 Personen. Leider keinen Balkon. Nur Fenster, aber mit elektrischen Rollläden. Der Blick geht auf den hauseigenen Garten und den dahinter liegenden Recyclinghof der Firma ALBA. Auch eine richtige Küche gibt es leider nicht. Es gibt im dunklen fensterlosen Flur hinter Falttüren eine Einlochspüle, und ein unbequemes Zweiplattencerankochfeld, welches prima und schnell aufheizt und einen kleinen Kühlschrank mit Gefrierfach innen. Diese Pantry ist nicht rollstuhlgeeignet. Mit Rolli kommt man nicht an die Spüle, die Teller und Tassen und nicht an den Kocher. Es gibt keinen Geschirrspüler und was ich als sehr negativ empfinde: es gibt keinen Backofen. Selbst im Wohnstift Otto Dibelius in Berlin, es gehört der ev. Kirche, gibt es richtige Küchen mit richtigen Herden. So, diese nicht vollwertige Küche ist im langen Korridor versteckt. Das Bad ist auch ohne Fenster, behindertengerecht, nicht sehr hübsch, aber etwas unpraktisch. Ein Duschstuhl passt in die Dusche. Eine Wanne gibt es nicht. Der Waschtisch ist gut. Das Klo hat eine Erhöhung, die ist aber nachträglich privat eingebaut.
Wenn ich meine Badewanne ausräumen lasse, mir einen Plaste-Stuhl auf die Fussbodenentwässerung stelle, mein altes Bad hat Terrazzo, und den Brauseschlauch des Durchlauferhitzers nehme, dann hab ich mehr Platz und es geht genauso gut und behindertengerecht.
Das Schliessfach hat Parkett, dies ist aber wohl ein Extra. Ansonsten hängt im Schliessfach Rauhfaser weiss. Telefon- und Radio/Fernsehdosen sind vorhanden. Ein Einbauschrank für Garderobe in Plaste/weiss wurde vom Mieter nachträglich im Flur eingebaut.
Es gibt einen Klingelzug zur Pflege und hässlich auf Putz im Flur etwas, was ich für einen Rauchmelder halte? Einen Briefkasten und ein auch von aussen zu öffnendes Fach für Schmutzwäsche, früher war das für Getränkeservice, der hat besser geklappt als die Wäsche. Die Klingel kann man nicht abstellen. Meine Klingel kann ich abstellen.
Das wars. Mehr hat das Schliessfach nicht zu bieten.
Mittagessen im Speisesaal inclusive, 1 Mal die Woche Staubsaugen, alle Vierteljahr Fensterputzen, wer will, darf morgens das Schwimmbad benutzen, aber nur morgens und der hotelmässige Empfang/Türsteherservice inbegriffen. Alles andere ist nicht inclusive. Und das läppert sich!

Sonntag, 12. Februar 2012

Neue Stolperfalle

Kurz nach 15 Uhr ruf ich an und fahr los zum Augustinum.
Im Schliessfach angekommen, krieg ich einen Schreck, das Telefonkabel liegt als grosse Schlaufe im Raum vor dem Sessel und der weisse Stock ist darin. Bleib bloss sitzen, sag ich ruhig, mach keine Bewegung, und ich beseitige die neue Stolperfalle. Der Tisch ist voller gebrauchter Servietten, im Bad liegt ein Waschlappen auf der Erde...
Ich koch Kaffee, wir unterhalten uns, ich frage im Bezug auf die mögliche Individualbetreuung: Wer vom Pflegepersonal behandelt Dich korrekt nach den Regeln des Allgemeinen Blindenvereins? Antwort meines Verwandten: Keiner. Alle sind nett, aber Blindheit ist hier unerwünscht.
Nun er ist hier gut ausgebildet worden:
http://www.absv.de/
Damit hat sich das Thema Individualbetreuung wohl erledigt.
Ich mach meinen Angehörigen rollstuhlklar, roll ihn zum Empfang, dann durch das Foyer, wir probieren den Bechsteinflügel im grossen Speisesaal. Ich spiel Chopinwalzer und eine Etude von Carl Czerny, der Bechstein hat eine kleine Macke, ist aber um etliches besser als der Steinway im 4. Stock. Mein Verwandter amüsiert sich.
Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach oben. Die Bücherei ist klasse, sehr interessant. Eine alte Dame frag ich, ob sie sich durch uns gestört fühle. Nein, sagt sie, sie sei schwerhörig. Also kann ich weiter erklären.
Wir rufen dann die Nachrichten, Zeitungen am Computer ab. Mein Verwandter lernt computern, versteht die gesamte Tastatur, Maus etc. Bundespräsident Wulff haben Demonstranten einen Stuhl vor die Tür gestellt, die Griechen schimpfen uns Deutsche Oberlehrer und Nazis und Whitney Houston ist gestorben, fast halb so alt wie er. In Neukölln lagen in einer Wohnung Menschenknochen. Er versteht alles und es interessiert ihn sehr.
Wir sind unterwegs durch die langen Gänge im Haus der gepflegten Langeweile. Treffen zufällig Pfleger die alle: Hallo Herr Sowieso sagen. Keiner sagt, wer er ist. Namenlose Pfleger, ohne Identität, manchmal lassen sie ihn raten: Hallo, wer bin ich.
Wir gehen zurück. Ich mach Abendbrot, räum auf, wasch ab.
Die Pflegerin zum Augenträufeln kommt. Ich bitte sie um einen Besuch der Augenärztin aus Zehlendorf, weil er ständig kneistet und sich die Augen reibt. Das macht er sonst nicht. Sie notiert den Wunsch.
Die Glühbirne in der Stehlampe geht kaputt. Er merkt das nicht. Er lebt im Dunkeln. Ich tausche die Birne aus. Suche im Flur nach der Klingel in den Einbauschränken mit Leiter. Vergeblich. Die Klingel ist unter Putz über der Wohnzimmertür, weit von der Klingel aussen entfernt. Einen Schalter zum Abstellen gibt es nirgends.
Sollte der nächtlich Klingelterror weitergehen, setz ich mich nachts an die Tür, mach denjenigen dingfest und rufe die Polizei, 110. Ab zum Amtsarzt. Eine Einweisung in die Landesnervenklinik müsste dann angebracht sein für diese Person.
Im Haus gibt es für 160 Pflegefälle nachts zwei Pflegekräfte. So kann man als dementer, fieser, alter Mensch 1 Jahr lang die Mitbewohner nachts stören. Ob 2 Kräfte für ca. 160 Pflege benötigende Menschen (das wurde mir so erzählt) eine gute Quote sind, das ist ein anderes Thema. Wenn die Zahlen stimmen, dann möchte ich lieber in die WG bei mir in der Nähe. Dort gibt es für 16 Menschen tagsüber zwei Kräfte und nachts eine. Ich brauch kein Ambiente wenn ich alt bin, ich brauch Zuwendung.
Die Dokumentation der Pflege soll sehr gut sein. Auch darüber hab ich inzwischen eine Meinung. Ich sehe, worauf sie sich bei der Pflegedokumentation konzentrieren.
Ich sorge für die Wärmflasche, sag zu meinem Verwandten: Und damit verabscheue ich mich bis morgen und er antwortet scherzhaft: Bis neulich.
Morgen wollen wir den Loriotsketch "die Nudel" proben. Das wird lustig, das muntert auf.
Um 20 Uhr 20 bin ich wieder zu Hause.

Preisverzeichnis

Ich hab bis heute noch kein Preisverzeichnis, keine Übersicht über die Kosten.
Mein Verwandter hat seit Jahren Pflegestufe.
Es gibt keinen Preisaushang für die Pflege.
Mir wurde jetzt auf Anfrage zugesagt, dass ich einen Ausdruck der Leistungen nach SGZ erhalte. Alles andere sind Wahlleistungen und die Wahlleistungen lässt sich das Augustinum angemessen honorieren.
Die einzelnen Rechnungsposten sind teilweise schwer zu verstehen.
Morgens ist prinzipiell grosse Körperpflege, oft will mein Verwandter gar nicht duschen.
Das zahlt dann die Pflegeversicherung, Kopfwaschen extra.
Nie weiss ich vorher: Ist es die Pflegekasse, die bemüht wird, oder ist es eine selbst zu tragende Wahlleistung.
Darum geht es unter anderem:
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/index.html
Mir schwirrt der Kopf. Die Hälfte der Pflegekosten bis 1100 Euro zahlt die AOK, den Rest beantrage ich bei der Beihilfestelle. Erst jetzt geb ich den Beihilfebescheid bei der Buchhaltung des Augustinums ab, dann berechnen sie die PER Versicherung. Bisher zahlte ich monatlich meist hunderte Euro dazu. Knapp unter der PER Erstattungsgrenze.
Aber was ist mit den Wahlleistungen?
Individualbetreuung kostet wohl knapp 20 Euro die Stunde.
Blindheit wird nicht anerkannt!
Auch bei Individualbetreuung, es gibt keinen Mitarbeiter, der wirklich gut in Blindenpflege ist. Geschweige denn eine Vertrauensperson.
Und das in einem Apartment, welches für 2 Personen, jeder hatte seine Rente, gedacht war und 2700 Euro im Monat Miete kostet. So viel Rente bekommt doch kaum jemand, dass er dies allein tragen kann. Mein Verwandter jedenfalls nicht.
Also: Mir wär ein qualitativ gutes Pflegeheim, was sich mit Blindheit auskennt, zum Festpreis lieber gewesen.
Denn bei allen Erkrankungen, Schwerbehinderungen, die er hat, ist die Blindheit das Hauptproblem, der Knackpunkt. Das übersieht das Augustinum.
Auch Pflege zu Hause ist besser, die ständig wechselnden Mitarbeiter bringen im Apartment zu viel durcheinander. Das paralysiert den Blinden, er wird unsicher. Auch die grossen Veranstaltungen taugen nichts für Blinde, verängstigen, er hört nur die Menschmenge murmeln.
Personal, welches ihn in den Rollstuhl setzt und schnell, der nächste wartet schon, mit ihm durch die Gänge zischt, nicht für ihn sieht, erklärt, nur freundlich normal mit ihm spricht, ist ungeeignet.
"Wir pflegen Sie nach Ihren Wünschen." Das sind dann wohl Wahlleistungen a 20 Euro die Stunde für Blindenpflege.
Oh, Blindengeld war uns lieber und freie Begleitperson.
Mir schwirrt der Kopf, mir fehlt die Zeit. Ich fahr jetzt zum Besuch ins Augustinum.

Der Treffpunkt

Das Augustinum hat einen Demenztreffpunkt nach § 45b. Was mein Angehöriger über den Treffpunkt sagte:
"Dort schieben sie mich nachmittags nach dem Mittagsschlaf nach 15 Uhr im Rollstuhl hin, dort ist ein ständiges Kommen und Gehen, Rollstühle schurren unangenehm zu hören auf Keramikfussboden. Irgendwann bekommt jeder eine Tasse Kaffee in die Hand gedrückt, Kaffee, der nicht schmeckt. Meist sind 6 - 7 Leute im Treffpunkt. Eine Demenzkranke spielt wohl täglich Mensch ärgere Dich nicht. Die anderen kenne ich kaum, es sind keine alten Freundschaften dabei. Diese Leute sind mir Wurst.
Es gibt dort nur eine Kraft, die Alten im Rollstuhl den Platz zuweist und Kaffee einschenkt. Im September sollte eine Halbtagskraft kommen, die gab es dort nur ein paar Tage, dann monatelang wieder nur eine Kraft. Lange Zeit schrie ein Frau ständig um Hilfe, liess sich über Wochen nicht beruhigen. Das hat mich sehr gestört.
Dienstagnachmittag kommt der Pfarrer zum Singen. Ansonsten reisst irgendwann jemand ein Kalenderblatt ab und liest ein paar Quizfragen vom Blatt ab. Dann verbieten sie mir den Mund, weil ich das weiss und die anderen sollen auch mal. Kuchen gibt es nur Dienstag und Sonntag."

Sie verlangen ca. 7 Euro für die paar Stunden. Der Transport mit Rollstuhl kostet die Kasse 2 Wege extra. Keiner macht sich die Mühe mal mit ihm mit Rollator dort hin zu laufen. Eine Frau knallte ihn im Rollstuhl auf dem Weg dorthin in Eile mit dem Arm gegen einen Pfosten.
Im Treffpunkt dudelt oft eintönig die selbe Musik, immer der Kaiserwalzer und der Rosenkavalier. Vielleicht haben sie nur eine CD.
Manchmal kam ein sehr junges Mädchen, fast noch ein Kind dazu. Die ist pfiffig, das machte Spass.
Um 16 Uhr 30 oder 17 Uhr machen sie dort Abendbrot. Und fragen zum Beispiel den weinerlichen Herrn N.: Möchten Sie heute ein Griesssüppchen oder soll ich Ihnen ein Brot schmieren. Dann schickten sie meinen Verwandten nach Hause.
Dann kam ich und hab ihm was besseres zum Abendbrot gemacht als ekliges billiges Griesssüppchen und Schmierwurst. Nämlich Schinkenbrot, Salamibrot, Ölsardinen.... bisschen Rohkost und reichlich zu trinken und Obst hinterher.
Der Treffpunkt ist öde, langweilig und was es dort gibt, das find ich ärmlich.

Ich hab meinen Verwandten dort einmal abgeholt. Dort steht ein ätzendes Chippendalebuffett.

So, nun hat er keine Lust mehr auf den Demenztreffpunkt.
Nun sitzt er wieder den ganzen Tag gelangweilt allein in seinem Apartment in seinem Sessel und wir spielen den Loriotsketch: Ich will hier nur sitzen. Wir spielen auch gern von Loriot: Ein Klavier, ein Klavier oder den Lottogewinner Erwin Lottermann, der mit dem Papst eine Herrenbudike in Wuppertal eröffnet und natürlich spielen wir: Der 90. Geburtstag. Der kommt ja nun bald in Wirklichkeit. Dann muss mein Verwandter Miss Sophie spielen und ich den Kellner. Weil dann wird er ja 90 Jahre alt, in echt.

Und Videos drehen wir gern. Sketche. Mein blinder Verwandter ist wohl einer der ältesten Youtuber. Und er sitzt gern mit mir am Computer. Er kauft auch Sanitätsbedarf bei ebay, weil in der ambulanten Pflege ist nichts enthalten. Kein Pflaster, kein Thermometer. Alles muss man selber kaufen.
Ich werd ihn nun wohl auch mit Internetapotheken bekannt machen, weil das mit den Rezepten und der Pflege nicht nachzuvollziehen ist.
Er lässt sich auch gern Zeitung im Internet vorlesen, fragt täglich ob der Wulff noch Bundespräsident ist...
Tja, was sollte der Mann im Treffpunkt?

Samstag, 11. Februar 2012

Tag für Tag

Immer dasselbe, täglich. Ich ruf an, eben war eine Pflegekraft da, hat gefragt, ob sie ihm Kaffee kochen soll, sagt mein Verwandter. Er hat gesagt ich komme, wir trinken zusammen Kaffee. Sie hat das so in ihrem Computer, muss das abarbeiten, was gefordert ist. Den Kaffee hatte ich mehrfach abbestellt. Vor Wochen, vor Tagen. Ich mag nicht in Rechnung gestellt bekommen, was ich nicht bestellt habe.
Ich fahr ins Augustinum. Die Verwandtschaft ruft an, ja, wir sind eine Familie, haben gute Kontakte.
Ich schieb meinen Verwandten mit Rollstuhl ins Cafe-Restaurant, wir haben Kaffee, Kuchen, Unterhaltung. Mein Verwandter geniesst dies. Wir holen dann seinen Kontoauszug beim Drucker, drehen eine Runde, reden mit dem Empfang und ich lass den Blinden die ausgestellten Figuren, moderne Kunst, anfassen, begreifen.
In seinem Schliessfach angekommen mach ich Abendbrot und den Haushalt. Ja, Kühlschrank hab ich auch ausgewischt. Das macht niemand sonst.
Dann kommen die lila-weiss uniformierten Pflegekräfte mit ihren Computern und den ständig eklig klingelnden und vibrirenden Handys, die sie drücken müssen. Es sind keine Menschen, es sind Roboter, freundlich, geschäftsmässig. Pflegeroboter halt. Ich versuch den Nachmittagskaffee aus diesem Computerroboterprogramm entfernt zu bekommen.
Beim Ausziehen landet mein Verwandter unsanft im Sessel und schreit auf. Der Gammanagel im Oberschenkel von der Halsfraktur schmerzt ihn sehr. Tja, Geschäftsrisiko. Aber nun ist er im Schlafanzug.
Ich frag den Pflegeroboter: Wie vielen Menschen müssen Sie abends in den Schlafanzug helfen? Antwort: So zwanzig hab ich auf der Liste, mehr als zwanzig.
Die Pflegeroboter düsen auf Tretrollern und Fahrrädern durch das Haus, durch die ellenlangen Korridore und Verbindungen, die sie idiotischerweise "Knoten" nennen.
Ich mach den Bürokram, bearbeite den Beihilfeantrag, der Empfang verkauft mir eine Briefmarke für den Grossbrief...
Das ist sehr guter Service.
Ich geh mal einen anderen Gang lang zurück zum Schliessfach.
Aus einem anderen Schliessfach im Haus der gepflegten Langeweile und der vielen langen Gänge schreit mal wieder jemand laut. Es gibt immer wieder Apartments, aus denen täglich über lange Zeit geschrien wird. Ich vermute dies liegt am selbstbestimmten Leben im Alter der Bewohner. Wenn einer keine Medikamente will, dann schreit er halt. Es ist wie mit dem nächtlichen andere Bewohner mit Klingeln aus dem Schlaf reissen. Wenn der Geist nicht mehr mitmacht, dann pflegt das Augustinum weiter nach den Wünschen der Bewohner... Geschütztes Wohnen wär besser. Umsorgt möcht ich im Alter sein und nicht selbstbestimmt leben müssen, wenn ich vergesslich werde und Fehlschlüsse in der Birne habe.
Das Augustinum ist wie antiautoritäre Erziehung im Alter. Das bringt nichts. Unter fürsorglich versteh ich etwas anderes. Früher gab es Fürsorgerinnen, heute Sozialarbeiter. Fürsorgerinnen waren besser.
Um 21 Uhr verlass ich den Parkplatz von Neu-Wandlitz und bin um 21 Uhr 30 zu Hause.

Prospekt

Da lag ein Reiseprospekt in meinem Briefkasten. 6 Tage Österreich - mit dem Bus 299 Euro. 8 Tage Italienische Adria 299 Euro. Es muss 6 oder 7 Jahre her sein, dass ich auf ein Wochenende einmal in Dresden war.
Früher bin ich so gern mal verreist.
Seit Jahren fast täglich Arbeit, Augustinum, Schlaf. Das ist alles.
Das ist mein Leben. Nichts weiter.
Blinde brauchen eine Bezugsperson, eine Vertrauensperson, ich ersetz einem Blinden die Augen, sehe für ihn. Erledige alles für ihn.
Das Augustinum erkennt Blindheit nicht so an, wie der Gesetzgeber. Sie kennen Pflegebedarf etc. Pflege nach SGZ.
Aber sie verlangen bei Veranstaltungen Eintritt von der Begleitperson.
Freifahrt für Blinde, Begleitperson oder Hund in der BVG, Bahn etc. so geht das ausserhalb des Augustinums. Ich finde kaum etwas Blindengerechtes im Augustinum. Mein Verwandter nimmt im Augustinum kaum jemals an Veranstaltungen teil, er war noch nie im Schwimmbad, obwohl er gut schwimmen kann. Im Fahrstuhl sind die Knöpfe auch in Braille. Aber was nützt das? Sagt mein Verwandter: Bis ich das gefühlt habe, hat in dem grossen Haus längst wer woanders die Knöpfe gedrückt und der Fahrstuhl fährt mich hin, wo ich nicht hin will. Dann steig ich in der falschen Etage aus und hab Mühe zurück zu finden.
Ein Zivi ging damals mit ihm. Stufe hat er zu meinem Verwandten gesagt. Antwort meines Verwandten: Damit kann ich nichts anfangen, nehm ich den Fuss hoch und es geht runter, dann tut es mir im Rücken weh, weil ich auf zwei Stufen runter nicht gefasst bin. Stufe hoch oder Stufe runter?
Es gab vor Jahren Ärger mit einer Bewohnerin im Foyer, er kam mit Pendelstock und grosser gelber Blindenbinde am Sakkoärmel, die mit den drei Punkten, und verlangte, sie soll die 5 Meter lange Hundeleine (Flexileine), total ausgerollt von ihrem Dackel, einrollen. Verlangte von ihr die Beseitigung der rücksichtslosen Stolperfalle. Sie war darüber beleidigt, wie konnte er nur. Das Augustinum ist nicht blindengeeignet, nicht wirklich.
Mein Verwandter sagt eine beständige Pflegekraft wäre besser als die wechselnden Pflegekräfte morgens, mittags, nachmittags, abends die die erledigte Tätigkeit unterwegs in ihren Computer tippen.
Hier ein kleiner Einblick in den Umgang mit Blinden.
http://www.dbsv.org/fileadmin/publikationen/20_265_Testwarenkorb/DBSV_Brosch_NichtSo.pdf
Dieser Herr Rückert, Chef des Augustinum sagte, so las ich es, er sei dagegen, dass 50 % der Pflegekräfte gelerntes Personal sein müssen. Ich widerspreche! Die gelernten Kräfte im Augustinum verhalten sich ein wenig besser einem Blinden gegenüber, als die ungelernten Kräfte. Die verstehen von Blindheit nichts. Da ist dann ein Apartment, wo für einen Blinden alles an seinem Platz sein muss, ein Chaos. Das lähmt, dann hat ein Blinder Angst Dinge zu zerbrechen.
Sozialkontakte, Freunde hab ich auch keine mehr. Mir fehlt die Zeit. Mir fehlt die Kraft. Ich werd alt, möcht auf Rente.
Ich hab meine Oma versorgt bis sie starb. Das war vor der blödsinnigen Pflegeversicherung. Mein Grossvater wurde zu Hause versorgt von Onkel und Tante. Vor der Pflegeversicherung. Auch er war blind.
Blindengeld war um etliches besser als die jetzige Pflegesituation.
Augustinum ist schlimm, Augustinum kostet mich meine Lebenszeit. Das Augustinum frisst mich auf.
Ich hätt meinen Verwandten gern in einem guten Blindenheim in Berlin, zu mir ziehen will er nicht gern. Aber einen 90jährigen, der 14 Jahre im Augustinum lebt, trau ich mich nicht umzusetzen. Er wollt dort im Augustinum nicht einziehen, seine Frau wollte dort hin, wegen ihrer Pflegebedürftigkeit. Damals war er noch sehend.

Freitag, 10. Februar 2012

Die Klingelfee

Ab 16 Uhr bin ich für meinen Angehörigen unterwegs. Geld am Automaten holen, neue dicke Socken und Shirts kaufen, na, alles was er so braucht. Ich fahr unter dem Schlagbaum des Augustinums auf den Parkplatz. Jedesmal denk ich dann: Das ist hier Neu-Wandlitz.
Im Apartment angekommen, welches mein Verwandter oft "mein Schliessfach" nennt, erzählt er mir gleich: Gestern Nacht hat wieder jemand geklingelt, aber dann hab ich gleich zwei Frauenstimmen gehört... Nun, der nächtliche Klingelterror geht seit Ende 2010, erst dachten wir natürlich nur er sei davon betroffen, nein wir erfuhren vor kurzem, dass auch andere sich darüber beschwerten. Die, die ein Hörgerät nachts in der Nachttischschublade haben, sind da natürlich im Vorteil, was das Durchschlafen angeht.
Beleidigt war er, der beim Klingeln nachts die sprechende Uhr bemühte, und morgens seit einem Jahr jedesmal dem Personal sagte: Heut Nacht hat wieder jemand um ... Uhr geklingelt, wenn geantwortet wurde: Aber Herr Sowieso!

So, nun weiss man wohl, wer da ständig nachts klingelt. Aber nützt dies Wissen? Schwerlich, denn das Augustinum pflegt ja leider ambulant im eigenen Apartment ohne Pflegestation, ohne betreute, geschützte Wohngruppen.
Es steht also zu erwarten, dass die demente Klingelfee in kürze wieder nachts auf Trebe geht.
Sagt mein Verwandter: Du kannst Dir nicht vorstellen wie viele Alte hier nachts halb bekleidet oder im Nachthemd schlaflos oder schlafwandelnd durch die Gänge irren... Hier auf dieser Etage ist nachts ein richtiger Trampelpfad!!! Alle wollen auf diesem Weg zum Empfang.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Ein sterblicher, sündiger Mensch


Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.
Ich versteh nicht, wie ein Pfarrer den Klunkerbunker Augustinum erfinden konnte.

Ich will morgen mal drüber nachdenken, wenn ich ausgeschlafen hab. Und über die Fuggerei, sie fiel mir grad ein.
Gute Nacht ihr lieben Sorgen...

Die Fusspflege

Endlich hat mein Angehöriger eine neue Hand- und Fusspflege. Eine sehr nette Polin kommt ins Haus und schneidet ihm die Nägel schön kurz und nach seinen Wünschen.
Die Frau, die jahrelang kam, die liess ihm die Nägel zu lang und war dann nach dem Besuch des öfteren längere Zeit verreist oder zur Kur, das ging einfach nicht mehr.
So ich bin erleichtert, wieder ein Problem gelöst.
Im Apartment läuft es etwas besser, nach meinem Besuch war ich noch die benötigten Dinge für meinen Verwandten besorgen, kam im Schneetreiben um 21 Uhr nach Haus. Nun noch Schneefegen und streuen und dann ins Bett...
Nein, mein Dank schleicht den Erfindern des Augustinums nicht ewig nach. Ich fühle mich gebeutelt.

Knautschke und Bulette und das Augustinum

Wir sind eine richtige urberliner Familie. Knautschke und Bulette, die geliebten Flusspferde (Nilpferde, Hippopotamus) früher im berliner Zoo, sind uns ein Begriff.
Da kommen diese Bajuwaren aus München und knallen uns ein uns nichts sagendes Nashorn Ante Portas Berlin beim Augustinum Kleinmachnow vor die Nase. Jo mei, was ham wir Berliner denn damit zu tun?
Das Nashorn hier im Blog, traurig auf dem Boden, müde und alt aussehend, das hab ich von Wikipedia. Das Bild vom Nashorn ist gemeinfrei. Gemein und frei.
Und abends, nach der Arbeit im Augustinum, fühl ich mich genau so müde und alt, wie dies Nashorn aussieht.

Gespräch mit dem Heimleiter

Ja, ich sag Heimleiter, weil es ist das Heim (Zuhause) alter Menschen. Das Augustinum nennt ihn Stiftsdirektor. Na, OK. Er ist ein sehr netter Mann. Wir besprechen die Probleme mit der Pflege, der Wäsche, dem Essen, den Fragen nach den einzelnen unverständlichen Rechnungsposten... und noch vieles mehr. Ich hoffe jetzt, vieles lässt sich verbessern. So soll jetzt zum Beispiel ein Schalter eingebaut werden, um die Klingel nachts abzustellen, damit mein Verwandter wieder ungestört nachts schlafen kann. Der Herr hat sich viel Zeit für mich genommen. Aber warum man dafür den Boss braucht, das versteh ich nicht.

Umfrage

Da war im Sommer ein Fragebogen einer Universität auszufüllen. Es ging um Zufriedenheit der Bewohner mit dem Augustinum.
Nun, im Februar wollte Herr Johannes Rückert darüber im Theatersaal im Augustinum Kleinmachnow über einige Aspekte berichten.
Den Fragebogen hatte ich auf Wunsch meines Verwandten ausgefüllt, aber wir hatten keine Lust uns nur einige Aspekte darlegen zu lassen. So stand es in der Hauszeitung "Die Woche". Deshalb sind wir nicht hingegangen. Alle Aspekte, das wär interessant gewesen!

Mittwoch, 8. Februar 2012

PER Pflegekosten-Zusatzversicherung

Gestern hat mir das Augustinum zum ersten Mal mitgeteilt, dass die PER Pflegekosten-Zusatzversicherung einen Teil der Kosten der Pflege übernimmt. Dies ist sehr schön und hilft etwas.
Ergänzend ist zu bemerken: Mein Verwandter hat schon seit Jahren Pflegestufe.
Man muss aber bedenken: Mein Verwandter und seine Frau zogen 1998/99 als eine der ersten ins Augustinum Kleinmachnow ein. Damals kam die Pflegekostzusatzversicherung wohl nur 7 DM im Monat pro Person. Heute zahlt mein Verwandter ca. 100 Euro im Monat dafür. Er zahlt das im 14. Jahr, für seine Frau wurde 12 Jahre gezahlt, sie erhielt nie etwas von der PER Versicherung zurück. So, nun wird er dieser Tage 90 Jahre alt, sehr lange wird die PER Versicherung wohl keinen Zuschuss zur Pflege zahlen müssen. Alles in allem kein gutes Geschäft. Das Geld wäre besser auf einem Sparbuch deponiert worden.
Diese PER Ergänzungsregelung gilt für die Unterbringung im Augustinum, ich glaube das eingezahlte Geld verfällt, falls man z. B. in ein Pflegeheim möchte. PER ist leider k e i n e generelle Pflegezusatzversicherung!
Inzwischen gibt es bei der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht nur die Pflegestufen 1 bis 3, sondern auch noch die Härtefallregelung für Schwerstpflegefälle. Daher wird die PER Versicherung nicht sonderlich strapaziert werden.
Und wenn ich dann noch meinen reichlichen Aufwand an Zeit, Wegen etc. bedenke, der erforderlich ist, weil mein Verwandter blind ist...
Eigene Wohnung und Blindengeld und freie Begleitperson waren um etliches besser als das jetzige Leben, sowohl für meinen Verwandten, als auch für mich.

Dienstag, 7. Februar 2012

Anrufe

Ich hab heute nachmittags angerufen. Ja, man hat ihm Kaffee gekocht. Nein, das Mittagessen hat wieder nicht geschmeckt. Jemand von freiwilligen sozialen Jahr macht wohl jetzt die Kreuze für ihn an den falschen Stellen auf dem Auswahlbogen fürs Essen.
Er sei mit den Tageszeiten durcheinander gekommen. Seit einem Jahr klingelt ihn jemand mehrmals die Woche nachts aus dem Schlaf, bevorzugt um 4 Uhr, manchmal um 2 Uhr nachts. Keiner weiss, wer den Streich spielt. Abhilfe wurde nicht geschaffen, obwohl mein Angehöriger das jedesmal dem Pflegepersonal sagt. Meine Grossmutter hätte sich sicher stundenlang an die Tür gesetzt und dann beim Klingeln die Tür aufgerissen und mit dem Krückstock drauflos gehauen. Blind ist das schwierig. Nun, vielleicht muss ich nachts ab 3 Uhr an der Tür wachen und den Störenfried dingfest machen.
Wenigstens wurde jetzt das nächtliche, störende Nachschauen durch die Pflege eingestellt, welches ihm auch monatelang berechnet wurde, obwohl er einen Pieper hat.
Wer nicht mehr widersprechen kann, der hat schlechte Karten. Pflegerische Kurzbesuche nannte sich das auf der Rechnung. Die Rechnung ist schwer zu verstehen. Woher soll man wissen, dass pflegerische Kurzbesuche unerwünschtes, störendes, nächtliches Nachschauen des Pflegepersonals sind?
Die junge, unbekannte Kraft morgens hat dann heute barsch beim Waschen zu ihm gesagt: Nun aber hopp, hopp! Mein Verwandter hat sich das verbeten, gesagt: Ich bin ein alter Mann.
Abends hab ich angerufen, ja er bekam Abendbrot. Und die alte Pflegerin war da, um ihn ausszuziehen. Das war gut. Mein Angehöriger kommt mit dem neuen Personal, meist freiwilliges soziales Jahr oder Praktikum schlecht zu recht.
Auf dem Beihilfebescheid steht: geeignete Pflegekräfte. Ich werd mal nachfragen müssen...

12 Grad minus

Nachmittags mach ich mich auf zum Augustinum. Der Weg ist gut schneegefegt, aber schlecht gestreut, ziemlich glatt.
Ich hab selbstgebackene Kekse mitgebracht, wir trinken Kaffee. Gut, weil das Mittagessen hat meinem Verwandten wieder nicht geschmeckt. Es gab Schweinegulasch, aber mit Erdnusssosse. Nichts für 90jährige Männer. Da kommt immer jemand vom freiwilligen sozialen Jahr die Essenswünsche ankreuzen. Das klappt momentan schlecht.
Ich räum auf, mach Abendbrot, wasch ab, lüfte.
Ich schau aus dem Fenster, es ist 19 Uhr 30, dunkel. Die eisige Luft klirrt, es ist fast Vollmond. Der Schnee glitzert. Drüben, in den kahlen hohen Bäumen, sehen die Misteln bizarr aus. Hinter dem Holzsichtschutzzaun ist der Recyclinghof von ALBA, oft verladen sie dort Metalle auf einen Lastkahn. Bei ALBA ist ein einziges Fenster beleuchtet. Ein Kauz krächzt.
Jetzt fehlt nur noch der Wolf und die transsylvanische Draculaszene ist perfekt. Gothic nennt man das heute, früher hiess es gruselig.
Ich mach das Fenster zu, lass die Rolläden runter.

Sonntag, 5. Februar 2012

Flop

Meist schmeckt meinem Verwandten das Mittagessen, welches ihm auf seine Kosten ins Apartment gebracht wird und jemand von der Pflege hilft ihm dann beim Essen.
Als ich heute ins Apartment kam, hatte mein Verwandter schlechte Laune.
Das Mittagessen war mies und er hatte Hunger.
2 Bissen hatte er, dann liess er das Essen zurückgehen. Es gab wohl Kaninchen mit roten Linsen und Gnocchis, sagte er.
Merkwürdig, bei uns war ein schöner Karnickelbraten immer eine Delikatesse, besonders, wenn mein Onkel geschlachtet hat...
Naja, jeder Koch hat mal einen schlechten Tag.
Ich bin ins Cafe-Restaurant gedüst und hab uns Obsttorte gekauft und dann haben wir erst mal schön Kaffee getrunken.
Das Augustinum ist wie ein Hotel garni.
Soll ich Dir "Menschen im Hotel" von Vicki Baum vorlesen, hab ich meinen Angehörigen gefragt.
Ein schöner Landgasthof mit Halb- oder Vollpension wär uns lieber...
So mit Schweinsbraten, fränkischen Knödeln und Sosse und Rotkohl... Träum.

Mittwoch, 1. Februar 2012

Bitte Namen nennen

"Bitte Namen nennen, bin blind."
Ich hab heute wieder einmal so einen grossen Zettel aussen an die Tür gemacht.
Die Pfleger gehen immer ins Apartment, vergessen die Regeln der Blindenpflege und sagen:
"Hallo Herr Sowieso."
Das ist sehr unhöflich und zwingt Blinde zum Raten und macht den Blinden unsicher.
Solch ein Zettel nutzt im Augustinum nur kurze Zeit, dann ist alles wieder so, wie die Pfleger es wollen.

Der Teppich warf wieder Falten, die gebrauchten Servietten lagen auf dem Tisch, die Wärmflasche lag heute auf dem Wäschepuff im Bad, aber da gab es ja die Schweinerei gestern nachts, da lief die Wärmflasche im Bett aus...