Sonntag, 12. Februar 2012

Der Treffpunkt

Das Augustinum hat einen Demenztreffpunkt nach § 45b. Was mein Angehöriger über den Treffpunkt sagte:
"Dort schieben sie mich nachmittags nach dem Mittagsschlaf nach 15 Uhr im Rollstuhl hin, dort ist ein ständiges Kommen und Gehen, Rollstühle schurren unangenehm zu hören auf Keramikfussboden. Irgendwann bekommt jeder eine Tasse Kaffee in die Hand gedrückt, Kaffee, der nicht schmeckt. Meist sind 6 - 7 Leute im Treffpunkt. Eine Demenzkranke spielt wohl täglich Mensch ärgere Dich nicht. Die anderen kenne ich kaum, es sind keine alten Freundschaften dabei. Diese Leute sind mir Wurst.
Es gibt dort nur eine Kraft, die Alten im Rollstuhl den Platz zuweist und Kaffee einschenkt. Im September sollte eine Halbtagskraft kommen, die gab es dort nur ein paar Tage, dann monatelang wieder nur eine Kraft. Lange Zeit schrie ein Frau ständig um Hilfe, liess sich über Wochen nicht beruhigen. Das hat mich sehr gestört.
Dienstagnachmittag kommt der Pfarrer zum Singen. Ansonsten reisst irgendwann jemand ein Kalenderblatt ab und liest ein paar Quizfragen vom Blatt ab. Dann verbieten sie mir den Mund, weil ich das weiss und die anderen sollen auch mal. Kuchen gibt es nur Dienstag und Sonntag."

Sie verlangen ca. 7 Euro für die paar Stunden. Der Transport mit Rollstuhl kostet die Kasse 2 Wege extra. Keiner macht sich die Mühe mal mit ihm mit Rollator dort hin zu laufen. Eine Frau knallte ihn im Rollstuhl auf dem Weg dorthin in Eile mit dem Arm gegen einen Pfosten.
Im Treffpunkt dudelt oft eintönig die selbe Musik, immer der Kaiserwalzer und der Rosenkavalier. Vielleicht haben sie nur eine CD.
Manchmal kam ein sehr junges Mädchen, fast noch ein Kind dazu. Die ist pfiffig, das machte Spass.
Um 16 Uhr 30 oder 17 Uhr machen sie dort Abendbrot. Und fragen zum Beispiel den weinerlichen Herrn N.: Möchten Sie heute ein Griesssüppchen oder soll ich Ihnen ein Brot schmieren. Dann schickten sie meinen Verwandten nach Hause.
Dann kam ich und hab ihm was besseres zum Abendbrot gemacht als ekliges billiges Griesssüppchen und Schmierwurst. Nämlich Schinkenbrot, Salamibrot, Ölsardinen.... bisschen Rohkost und reichlich zu trinken und Obst hinterher.
Der Treffpunkt ist öde, langweilig und was es dort gibt, das find ich ärmlich.

Ich hab meinen Verwandten dort einmal abgeholt. Dort steht ein ätzendes Chippendalebuffett.

So, nun hat er keine Lust mehr auf den Demenztreffpunkt.
Nun sitzt er wieder den ganzen Tag gelangweilt allein in seinem Apartment in seinem Sessel und wir spielen den Loriotsketch: Ich will hier nur sitzen. Wir spielen auch gern von Loriot: Ein Klavier, ein Klavier oder den Lottogewinner Erwin Lottermann, der mit dem Papst eine Herrenbudike in Wuppertal eröffnet und natürlich spielen wir: Der 90. Geburtstag. Der kommt ja nun bald in Wirklichkeit. Dann muss mein Verwandter Miss Sophie spielen und ich den Kellner. Weil dann wird er ja 90 Jahre alt, in echt.

Und Videos drehen wir gern. Sketche. Mein blinder Verwandter ist wohl einer der ältesten Youtuber. Und er sitzt gern mit mir am Computer. Er kauft auch Sanitätsbedarf bei ebay, weil in der ambulanten Pflege ist nichts enthalten. Kein Pflaster, kein Thermometer. Alles muss man selber kaufen.
Ich werd ihn nun wohl auch mit Internetapotheken bekannt machen, weil das mit den Rezepten und der Pflege nicht nachzuvollziehen ist.
Er lässt sich auch gern Zeitung im Internet vorlesen, fragt täglich ob der Wulff noch Bundespräsident ist...
Tja, was sollte der Mann im Treffpunkt?

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