Sonntag, 13. Mai 2012

Samstag

Heute hatte mein Verwandter einen neuen Haarschnitt. Er war beim Friseur. Ich hab ihm das verauslagte Geld im Portemonnaie ersetzt.
Wir haben uns amüsiert, Witze erzählt, Abendbrot gegessen und ich war noch auf dem Nachhauseweg Sachen, die er benötigt, einkaufen.
Ich war auch am Treffpunkt, nachsehen, ob sich das Angebot, was vormittags und nachmittags mehr als 7 Euro kostet, also 15 Euro am Tag, verbessert hat. Mitnichten.
Hier ist das Wochenangebot:
Mo. vorm. Motto des Monats, nachm. Kulturkalender/Rätsel
Di. vorm Quizrunde, nachm. Berühmte Persönlichkeiten
Mi. Therapiehund, nachm. Tiere in Wald u. Heimat
Do. Geografie-ABC, nachm. Stadt/Land/Fluss
Fr. Bewegung im Sitzen,
Sa. Naturbeobachtungen, nachm. Spielnachmittag
So. Gedichte vom Mai, nachm. Biografiegespräche zum Kaffee

5 Monate hat mein Verwandter das ausgehalten. Alles gewusst, ständig wurde ihm der Mund verboten: Sein Sie doch mal still, die anderen wollen doch auch mal! Immer die selbe CD, immer einen schlechten Kaffee. Hauptsache billig und kost nix, denkt sich wohl das Augustinum.
Nun sitzt er seit Monaten einsam im Kerker seiner Wohnung.
Es gibt kein Angebot für ihn.
90 Jahre, blind, im Kopf noch alles parat, aber mit dem Kurzzeitgedächtnis hapert es etwas in den letzten Monaten.
Da passt kein Demenztreffpunkt.

Der starrsinnige Moloch Augustinum ist weder flexibel noch lernfähig.
Das Pflegeheim in meiner Nachbarschaft, viel billiger, ohne Wohndarlehn für die schönen Apartments, hingegen lernt. Erst hatten sie nur eine zusätzliche Pflegestation, dann drei, dann eine zusätzlich - betreutes Wohnen für Demente, die müssen dort nicht mit normalen Alten zusammengepfercht sein. Und nun haben sie die WG fit.
Ich zitiere: "Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich Bewohnerinnen und Bewohner, die geistig rege sind und nur geringfügige Einschränkungen in der Mobilität und Alltagskompetenz aufweisen, in einem integrativen vollstationären Pflegebereich mit zum Teil schwerst pflegebedürftigen Menschen stark belastet fühlen.

Unsere WG Fit ermöglicht geistig regen pflegebedürftigen Menschen, in einem homogenen Kreis innerhalb des Pflegealltags ein selbstständiges Leben zu führen." - Sie haben auch ein gutes, abwechslungsreiches Programm für die Alten.

Diese Woche kam ich und mein Verwandter konfrontierte mich mit Fakten aus dem Radio: Die Eröffnung des Flughafens Schönefeld wird wg. Brandschutzmängeln verschoben etc.

So vergehen die Jahre im unerquicklichen Augustinum. Es ist ein schlechter Lebensabend für ihn, er ist ein umgänglicher, geselliger Mann der im Augustinum vereinsamt ist und für mich als pflegenden Angehörigen ist es eine Last.
Und dafür verlangt das Augustinum Spitzenpreise.
Das Augustinum hat keinen Sozialarbeiter, keinen Sozialdienst, keine Angehörigengruppe und der Pfarrer sagte mir unchristlich: Ich bin nur für die Bewohner zuständig.
Unsozial ist asozial.

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