Freitag, 19. Juli 2013

Stimmungswechsel

Das halbe Hühnchen ist längst gegessen. Vorgestern war ich mit meinem Verwandten im Garten, am Tag davor sassen wir auf seinem Balkon, das Wetter ist gut. Gestern erzählte er mir freudig, man sei mit ihm mit Rollator gelaufen. Er läuft zu gern. Der für ach so dement vom Personal erklärte Bewohner erzählte mir: Da sei eine Augenärztin zu ihm gekommen, hätte den Druck gemessen, der sei OK.
Vor Monaten erzählte er mir: Da sei eine Augenärztin in der Blindenwohnstätte bei ihm gewesen, hätte gefragt, ob sie ihn behandeln darf. Er hätte ihr gesagt: Seine Augenärztin seit langen Jahren sei Frau Dr. U. B. und die wolle er behalten. Ob denn Augenärzte schon in Heimen hausieren dürften, um Patienten zu gewinnen?
Ich fragte nach. Die Pfleger gaben an, seine Augenärztin sei ja nicht gekommen, da hätte man auf die Ärztin des Hauses zurückgegriffen. Ich weiss nicht, ob sie seine Augenärztin überhaupt benachrichtig haben.
Das Haus hat in den letzten Wochen viele schöne Angebote gemacht. Ausflüge während des Umbaus und jetzt viele Veranstaltungen.
Aber die Stimmung auf der Etage bei den Bewohnern scheint mir gedrückt. Die Dame, die sonst immer laut zeterte, sie jammert nur leise unglücklich. Der alte Herr sagt mir mehrfach, 98 Jahre ist genug, es macht keinen Spass mehr, sein Freund hat sich für 7000 Euros Pillen in Holland gekauft, sich von ihm verabschiedet, dann stand auf dem Totenschein plötzliches Herzversagen.
Manchmal rauche ich eine Zigarette mit einer 92 Jahre alten Dame, die kein Feuerzeug mehr haben darf, es gab durch ihre Zigaretten schon heftige Brandlöcher. Sie klagt auch. Das Essen schmeckt nach nichts, nichts passiert, ausser dass man sie zum Singen bringt und das Singen macht ihr, genau wie meinem Verwandten auch, keinen Spass. Sie möchte sich Süssigkeiten kaufen, weil das Essen nicht schmeckt, aber die Frau, die Geld vom Verwahrgeldkonto gibt, die sei nie da. Als sie ihre Zigarette geraucht hat und ich gehe, da sagt sie, dann muss ich halt fernsehen...
Die Altenpflegerin klagt über einen Bewohner, der im Bett bleiben möchte, depressiv ist. Sie trietzt ihn, damit er aufsteht. Da hat er ihr ein Kopfkissen hinterher geworfen, gerufen: Ich will auf den Friedhof!
Ich sagte: Hätten Sie ihm doch gesagt, wenn er aufsteht, dann gehen Sie mit ihm auf den Friedhof.
Die Stimmung ist ansteckend, sie geht auch mir aufs Gemüt. Aber ich werde da nicht depressiv, ich werde sauer!

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