Sonntag, 21. Oktober 2012

12 Leichen im Radio

In der Blindenwohnstätte heute hat mein Verwandter wenig Appetit auf sein Abendbrot, ich geb ihm dann einen mitgebrachten grossen Sahnekefir, den mag er. Draussen auf dem Flur treff ich auf eine alte Dame, sie sagt sie hat einen Jieper auf eine Zigarette. Man darf in seinem Apartment nicht rauchen. OK ich helf ihr, wir gehen eine rauchen. Ich dreh ihr zwei Zigaretten, sie nimmt dankbar an. Sie ist 90 Jahre alt, in dem Alter schaden Zigaretten nicht mehr, da kann man nichts mehr falsch machen. Die Dame ist intelligent, sie muss früher sehr schön gewesen sein, sie ist hübsch gekleidet. Sie wohnt erst einen Monat in der Blindenwohnstätte. Es gefällt ihr gar nicht dort. Sie möchte gern wieder wegziehen. Sie erklärt mir auch warum.
Sie ähnelt meinem 90jährigen Verwandten in Verhalten und Logik. Sie ist sehr vergesslich, aber total normal im Gespräch. Nein, sowas kann man nicht mehr alleine rauchen lassen. Aber diese Alten mit grauem Star, grünem Star, Makuladegeneration dann für dement zu erklären und ihnen besondere gerontopsychologische Betreuung zukommen zu lassen ist Mist. Es sind ganz normale alte Menschen.
Ich hab ihr zugehört, sie hat die Zeit und die Zigaretten genossen.
Zurück im Apartment hörte ich Nachrichten mit meinem Verwandten. Er liebt Nachrichtensendungen. Wowereit und der Flughafen BBI waren Thema. Ach, dachte ich, Wowereit und sein Partner können ruhig weiter in ihrem Lotterbettchen rauchen.
Das verstorbene Frühchen und die Keime in der Charité war ein Thema, nun man echt, zu Hause gibt es weniger Keime und weniger Diebstähle als im Altenheim, Stift oder Krankenhaus, das dachte ich. Und die Charité ist ein schlechtes Krankenhaus.
Dann kam es: Bei dem Klau von 3 Transportern mit 12 Leichen gibt es eine heisse Spur in Polen.
http://www.bild.de/news/inland/news-inland/diebstahl-leichenwagen-zwei-verdaechtige-festgenommen-26811042.bild.html
Vor Jahren verschwand der Audi 100 meiner Freundschaft samt Cocker Spaniel auf nimmer Wiedersehen nach Polen. Die Trauer um den Hund war riesig.
Und nun verschwinden sogar Leichen gen Osten.
Das muss für die Familien schrecklich sein. Keine Beerdigung, kein Abschied, kein Grab.
Wie im Krieg, wie an der Ostfront damals. Und die Familie zu Hause heulte sich die Augen aus dem Kopf.
http://www.bild.de/regional/berlin/diebstahl/auto-diebe-haben-meine-mutter-geklaut-26754366.bild.html
Nun hacken sie auf den Bestattern herum. Vielleicht zu Recht. Als ich klein war, da kam noch der gedrechselte Leichenwagen aus Holz für einen Sarg, es wurde ein Rappe vorgespannt, oder auch zwei. Pietät war kein Fremdwort.
http://www.kirche-mv.de/Kritik-an-Umgang-mit-Toten-nach-Leichendiebstahl-bei-Berlin.29830.0.html
Inzwischen suchen sie bis Litauen nach den Leichen.
Irgendwie ist es schade keine Grenzkontrolle mehr nach Osten zu haben.
Da wären die Autoklauer samt Leichen eher aufgefallen.
Auf dem Heimweg fuhr ich bei zwei kommerziellen Seniorenresidenzen vorbei, nur schauen.
Sehr schick von aussen, protzig. Aber: beide mit einem mannshohen ziselierten gusseisernen Zaun davor. Das schreckt mich ab, ich hab zu viel Schlimmes gehört: Wie kommt man da bloss wieder raus?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen