Montag, 29. Oktober 2012

Die Zeitumstellung

Ich komme nachmittags in die Blindenwohnstätte. Draussen steht ein Notarztwagen, nichts Ungewöhnliches. Ich treffe meinen Verwandten, setze ihn vom Rollstuhl in seinen Sessel, ich koche uns Kaffee, wir hören Radio. Der Lehrling kommt mit dem Abendbrot, der Leiharbeiter geht mit Medikamenten über den Flur... Der Lehrling sagt es ist anstrengend heute, dreimal war der Notarzt im Haus heute und zweimal ein Krankentransport ins Krankenhaus, die Pflegerin von der Frühschicht sei immer noch am Überstunden machen, sie kommt und sagt mir guten Tag, ich mag sie. Ich helfe meinem Verwandten, reiche ihm das Essen und ein Getränk. Erst ist Ruhe auf dem Flur, aber dann schreit diese irrsinnige Bewohnerin wieder längere Zeit nach dem Pfleger.
Mein Verwandter verlangt diverse Male, dass man seine sprechende Blindenuhr auf Winterzeit umstellen möge. Dafür, dass das Personal am Sonntag gestresst und überlastet ist, hat er kein Verständnis. Er zahle gut Geld für seine Unterbringung in einer Blindenwohnstätte. Ich suche die Gebrauchsanweisung und stelle die Uhr selber um. Ich setz ihn um vom Sessel, leg ihn ins Bett.
Dann les ich ihm ein Kapitel aus dem Buch von dem Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand vor, das interessiert meinen Verwandten sehr, er freut sich immer sehr auf das Vorlesen.
Ich bin nicht nur Besuch, ich bin eine kostenlose Arbeitskraft.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen