Mittwoch, 10. Oktober 2012

Die Salbe

Gestern war ja die Ärztin da wegen der Grippeschutzimpfung. Nun war es so, dass sich mein Verwandter in letzter Zeit öfters unter der Gürtellinie kratzen musste. Es juckte.
Dagegen bekommt er seit heute Abend eine antimykotische Salbe.
Das versteh ich so, dass er jetzt eine juckende Pilzinfektion hat.
Eigentlich kein Wunder. Sofort, bei seinem Einzug in die Blindenwohnstätte verpasste man ihm Windeln, die man vornehm Vorlagen nannte und Windelhosen. Er braucht gar keine Windeln, er hat seit Juni einen Cystofix Dauerkatheter. Man erklärte ihm auch, dass, wenn er gross aufs Klo muss, er ruhig klingeln kann, dann wird er aufs Klo begleitet. Das machen sie auch, manchmal muss man aber lange warten, wenn sie das Essen verteilen oder anderweitig zu tun haben, haben sie für Lappalien wie aufs Klo zu müssen keine Zeit... Das ist natürlich meist der Fall. Und so machen sie den Bewohnern Windeln um, falls dann aus Zeitgründen ein Malheur passiere, sei dies kein Problem...
Nun, mein Verwandter ist trotz Windelei noch immer kontinent, bräuchte also ohne stationäre Pflege überhaupt keine Windel.
In der Windelhose mit Windel ist es warm und stickig und verschwitzt und so siedeln sich halt auch Pilze an, die dann jucken.
Ich würd mich so nicht wohl fühlen.
Die Pflegeindustrie freut sich, die Windelindustrie freut sich - angeblich werden ja immer mehr Menschen in Deutschland inkontinent - und die salbenherstellende Pharmaindustrie freut sich auch.
Wer sich nicht freut, das ist mein Verwandter und ich.
Würde er bei mir leben, dann bräuchte er weder Windel noch Salbe.
Dann würde er seine normale Unterhose, mit treudeutschem Persil Kochwäsche gewaschen, anziehen und sich wohler fühlen als im Heim mit Windel.
Und wie war das im Augustinum? Die demente Nachbarin von gegenüber, Frau K., versteckt die Inkontinenzeinlage im Wohnzimmer, das stand dort im Berichtsheft, sagte die Tochter.
Wir Deutschen sind nicht inkontinenter als früher.
Das Personal hat keine Zeit.
Die Kassen zahlen.
Die Industrie freut sich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen