Sonntag, 8. Juli 2012

Überheblich

Im Augustinum soll stolz gesagt worden sein, es ist unbewiesen, "irgendwann kriegen wir sie alle." Meinend: Irgendwann ziehen alle zu uns.
Wenn man auf dieser Schiene denkt, das ist ein Trugschluss. Also: Mein Verwandter zieht aus, ich werde nie ins Augustinum ziehen, meine Verwandtschaft, die des öfteren im Augustinum zu Besuch waren, sie wollen auch nicht hin.
Mein älterer Cousin sagte vor kurzem: Ich überlege mich jetzt schon im Rotkreuzheim im Brandenburgischen anzumelden, da sie lange Wartelisten haben und ich sehr gute Erfahrungen dort gemacht habe.
Wir denken solide, leben solide.
Es gibt auch einen Umkehrschluss: Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich fein. So, wie man mit dem Geringsten und seinem Nächsten umgeht, so wird es einem selber gehen.
Das Schicksal setzt den Hobel an...
Was vielen Menschen nicht klar ist: Sie werden auch alt, auch sie werden sterben.
Vielleicht bekommt der, der die Aussage so gemacht haben soll, im Alter auch Makuladegeneration, erblindet und es geht ihm dann ähnlich schlecht ohne Blindenpflege, wie im Augustinum? Wer weiss? Vielleicht bekommt er dann auch keine urologische Betreuung, obwohl er vorher immer zur Vorsorge ging? Vielleicht muss er lungenkrank auch in einer heissen, stickigen Wohnung leben, allein blind herumtappern? Mein Verwandter sagt: Unter Blinden ist der Lahme König. Vielleicht kommt derjenige auch mit wachem Geist in einen Demenztreffpunkt?
Vielleicht muss er auch selbstbestimmt im Alter leben, wenn er längst nicht mehr kann und umsorgt gehört?
Der Mann ist mir zu jung, managermässig, ihm fehlt Lebenserfahrung, es fehlt: "Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden". Die Chefs im Augustinum loben ihr Etablissement über alle Maassen. Die Konkurrenz schläft nicht. Und Hochmut kommt vor dem Fall. Demut ist im Augustinum ein Fremdwort, schnöder Mammon ist beliebt.
Die Leiterin der Pflege in der Blindenwohnstätte geht auf die Rente zu. Sie versteht besser.
Ich weiss: Irgendwann kriegt er alle, der Gevatter Tod. Den Sprücheklopfer im Augustinum und auch mich. Und deshalb müh ich mich so mit dem alten Mann.

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